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Wer darf ADHS Medikamente verordnen?

Wer darf ADHS-Medikamente verordnen ?
Wer darf eigentlich ADHS-Medikamente (BTM-Medikamente) verordnen ?

Die medikamentöse Therapie von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aus dem ADHS-Spektrum ist immer noch mit viel Unsicherheit und Unwissen verknüpft.

Dabei dauert es häufig schon lange, bis man überhaupt einen Termin für die Diagnostik und dann eine multimodale Therapie bei Aufmerksamkeits-und Hyperaktivitätsstörungen erhält. Die Verordnung von ADHS-Medikamenten ist dann noch einmal eine weitere Hürde.


Werden viel zu viel ADHS Medikamente verordnet ?


Unseriöse Medienberichte und haarsträubenden Kommentare von „Besserwissern“ ohne Sachkenntnis lassen ja vermuten, dass es zu massenhaften Fehlverordnungen von Methylphenidat an „unruhige Jungs“ kommen muss. Aber gibt es dafür Belege? Ist dies überhaupt naheliegend und kann nun eine überarbeitete Mutter mal so eben eine Ritalin-Verordnung erschleichen, damit ihr Kind nun mal eben Ruhe gibt?

Werden ADHS-Medikamente im Kindesalter leichtfertig und zu häufig verordnet ?

Sicher nicht! Zwar kann man nie ausschliessen, dass es Fehlverordnungen gibt. Aber gerade durch die Neufassung der Arzneimittelrichtlinien zur Verordnung von Psychostimulanzien in Deutschland ist dies doch sehr sehr unwahrscheinlich.

ADHS Medikamente darf nur ein Arzt verordnen

Eine medikamentöse Therapie kann nur von einem Arzt verordnet werden. Das gilt natürlich auch für die ADHS-Medikamente. Sowohl die Psychostimulanzien (Methylphenidat bzw. Amphetamine), aber auch Atomoxetin bzw. andere Antidepressiva und andere bei ADHS eingesetzte Präparate.

Psychologen bzw. Ergotherapeuten,  ein ADHS-Coach oder Vertreter anderer Berufsgruppen können also keine Rezepte ausstellen. Natürlich sind sie aber im Rahmen der multimodalen Therapie in die Therapie einbezogen und können häufig in der Einstellungsphase wertvolle Rückmeldungen geben.

Nun sind in Deutschland die Regelungen für die Verordnung von Psychostimulantien (Methylphenidat und Amphetamin) noch durch besondere Richtlinien verkompliziert.

BTM-Rezepte
Wie wahrscheinlich allgemein bekannnt, gehören die meisten ADHS-Medikamente mit Ausnahme von Strattera zu den sog. BTM-pflichtigen Medikamenten. Hier gelten also besondere Bestimmungen, da die Medikamente auf speziellen Rezeptvorlagen für Betäubungsmittel (sog. „BTM-Rezept“) mit genau vorgegebenen Regeln zum Ausfüllen der Formulare bzw. Aufbewahrung von Kopien erfolgen muss. Nicht alle Ärzte wollen sich dies „antun“ bzw. haben bei der zuständigen Zulassungsstelle (mit dem netten Namen „Bundesopiumstelle“) solche Rezepte beantragt. Ärzte, die sich auf die Behandlung von ADHS verstehen bzw. spezialisiert haben, werden aber ganz sicher eine entsprechende Grundausstattung haben. Da viele Schmerzmedikamente (z.B. für Krebspatienten) aber eben auch unter die besonderen BTM-Regeln fallen, sind den meisten Ärzten diese Rezepte bzw. Regeln wohl vertraut…

Spezialisten für Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen dürfen ADHS-Medikamente verordnen

Weil es ja noch nicht kompliziert genug war, hat man nun in Deutschland noch eine weitere Einschränkung vorgenommen, die vor allem die Abgabe von Psychostimulantien durch Hausärzte (Fachärzte für Allgemeinmedizin bzw. Praktische Ärzte) erschweren soll. Diese „Basisärzte“ haben in vielen Orten aber als Hausärzte eben die ganze Familie betreut und häufig die Medikation entsprechend übernommen, da Fachärzte für Kinderpsychiatrie eben selten zu finden sind bzw. lange Wartezeiten haben. Die Erstverordnung soll aber nicht mehr von diesen Ärzten erfolgen. Vielmehr wird gefordert, dass Spezialisten für Verhaltensstörungen die Verordnung von Psychostimulanzien vornehmen. Das sind Fachärzte.

Als Spezialisten für Verhaltensstörungen gelten:

  • Kinderärzte (Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin)
  • Kinder- und Jugendpsychiater
  • Psychiater, Neurologen und Fachärzte für Nervenheilkunde (also in aller Regel „Erwachsenenpsychiater)
  • ärztliche Psychotherapeuten mit einer speziellen Zusatzqualifikation für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen

Mir selber sind zwar zahlreiche Allgemeinmediziner bekannt, die seit Jahren Schwerpunktpraxen für ADHS etabliert haben. Sie gelten mit gutem Recht als „Spezialisten“. Einige dieser Kollegen haben ihre Praxisschwerpunkt aufgegeben. In der alltäglichen Praxis wird dann die Regelung so ausgelegt, dass sie in Zusammenarbeit mit Psychotherapeuten / Kinderpsychiatern quasi ihre Spezialisierung und ihr besonderes Wissen nachgewiesen haben. So ganz eindeutig ist diese Regelung noch nicht.

Hier muss aus meiner Sicht betont werden, dass häufig diese Schwerpunktpraxen eben weit mehr Erfahrung haben als ein Erwachsenenpsychiater ohne Spezialisierung. Und selbst viele Kinderpsychiater (speziell mit analytischer Grundausrichtung) weigern sich ja sogar grundsätzlich, die Existenz von ADHS anzuerkennen bzw. verfügen eben gerade nicht über eine praktische Erfahrung oder Fortbildungen zur medikamentösen Therapie der ADHS.

Die angebliche Gefahr, dass nun jeder Wald- und Wiesenarzt oder gar Zahnärzte oder Ärzte aus anderen Fachgebieten mehr oder weniger aus Gefälligkeit oder ohne fundierte Begründung Stimulantien verordnen könnten, sehe ich nicht. In zahlreichen Untersuchungen zum Verordnungsverhalten von Ärzten hat sich dies nicht bestätigt. Und die Regelungen des BTM-Gesetzes sind schon diesbezüglich so ausgelegt, dass ein Missbrauch unwahrscheinlich ist.

Die erste Version dieses Artikels von 2012 wurde von mir im Mai 2020 überarbeitet…

11 Gedanken zu „Wer darf ADHS Medikamente verordnen?

  • Ꮷꮅꮿ

    Mir war schon bewusst, dass nur Ärtze solche Rezepte ausstellen können, die Frage ist nur: Welche Ärzte? Reicht ein gewöhnlicher Hausarzt aus? Muss ich zu einem Psychater? Oder zu einen ganz anderen?! Danke, schon mal im Voraus.

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    • Erlaubt ist es für jeden Arzt, der die BTM-Rezepte beantragt und erhalten hat. Es geht hier eher darum, ob es von der Kassenärztlichen Vereinigung dann auch über die Gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird. Und hier können Hausärzte bei der Erstverordnung ggf. Probleme bekommen. Müssen sie aber nicht, wenn es in der Zusammenarbeit mit einem „Experten für Verhaltensstörungen“ = Psychiater, Facharzt für Nervenheilkunde etc macht

      Antwort
  • Mein Sohn bekommt in Moment eine Verhaltenstherapie – Diagnostik läuft dazu noch, jedoch nicht abgeschlossen – auf meine Frage ob es etwas gäbe was er einnehmen könnte damit er keine Angstzustände und Wutausbrüche mehr hat und etwas ausgeglichener ist, drückt die Kinder und Jugendpsychaterin mir einen Zettel in die Hand ( das Gespräch fand im Flur zwischen Tür und Angel statt da die Dame etwas im Stress war) ich solle einen Termin zum einstellen auf das Medikament machen und den Zettel ausgefüllt und unterschrieben mitbringen – ohne Ärztlicher Aufklärung über Risiken Nebenwirkungen Vorgehensweise – und vor allem was ich als sehr schlimm empfinde – ohne abgeschlossener Diagnostik – der Zettel war ein Aufklärungsbogen über adhs und das Medikament methylphenidat war darauf schon angekreuzt – soviel dazu wie “ Fachärzte “ mit ihrer Befugniss, dieses Medikament zu verschreiben, umgehen.

    Antwort
    • Mein Sohn bekommt in Moment eine Verhaltenstherapie – Diagnostik läuft dazu noch, jedoch nicht abgeschlossen – auf meine Frage ob es etwas gäbe was er einnehmen könnte damit er keine Angstzustände und Wutausbrüche mehr hat und etwas ausgeglichener ist, drückt die Kinder und Jugendpsychaterin mir einen Zettel in die Hand ( das Gespräch fand im Flur zwischen Tür und Angel statt da die Dame etwas im Stress war) ich solle einen Termin zum einstellen auf das Medikament machen und den Zettel ausgefüllt und unterschrieben mitbringen – ohne Ärztlicher Aufklärung über Risiken Nebenwirkungen Vorgehensweise – und vor allem was ich als sehr schlimm empfinde – ohne abgeschlossener Diagnostik – der Zettel war ein Aufklärungsbogen über adhs und das Medikament methylphenidat war darauf schon angekreuzt – soviel dazu wie “ Fachärzte “ mit ihrer Befugniss, dieses Medikament zu verschreiben, umgehen.
      ——

      Möchte noch hinzufügen das ich gefragt habe ob es etwas für den übergang gibt bis die verhaltenstherapie die ersten Erfolge mit sich bringt – im übrigen wurde mein Sohn in der Schule gemoppt – hatte in der ersten und zweiten Klasse super Noten – in der dritten Klasse fingen die Probleme an als drei neue hinzugekommen sind – Lehrer und Rektor haben weg geschaut und ihn keinerlei Hilfe gegeben – hör einfach weg – er wurde verprügelt – hat niemand gesehen – jetzt hat er Angstzustände und eine impulskontrollstörung

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  • Empfehlung eines Vaters, der sich sehr kritisch fast 8 Jahre lang mit dem Thema befassen musste:
    Bitte mal aus dem Fenster schauen. Die Realität da draußen spottet jeder Beschreibung. Fehlverordnungen sind aus meiner Erfahrung an der Tagesordnung. Es gibt keine gesicherten Studien darüber? Na dann ist doch alles ok. Wieder ein Baum, hinter dem man sich verstecken kann. Aber der Reibach auf Kosten vieler Kinder ist und bleibt unverantwortlich.
    Ich selber war leider hilfloser Zeuge eines fatal sorglosen Umgangs mit Medikinet. Da wurden Rezepte per Post verschickt und Vorräte an kaum bekannte Personen übergeben, welche die Einnahme überwachen sollten. Es wurden Rezepte von Kinderärzten ausgestellt, die rein rechnerisch ergaben, dass mein Sohn täglich hätte bis zu 5 Tabletten (20 mg) genommen haben müsste. An all die regeltreuen Gläubigen: „shit happens“ und das viel zu oft in unserer Regelwelt.

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  • Pingback: Link: who may prescribe a recipe in germany | f90framing

  • Pingback: Die Spielregeln des Lebens: ADHS Modeerkrankung? - Mamahoch2

  • Pingback: Anonymous

  • >> … 90 Prozent “Fehldiagnosen”, wie von Frau Prof. Lehmkuhl (angeblich) behauptet, sind nirgendwo in der Wissenschaft belegt. Entweder sie kann diese Behauptungen mit Studien belegen (ich warte …) oder aber sie sollte diese Unterstellungen, die ja letztlich auch den eigenen Berufsstand der Kinderpsychiater bzw. an der kinderärztlichen ADHS-Versorgung beteiligter Pädiater in Misskredit bringen, zurücknehmen. Ansonsten sollte man berufsrechtlich ihre Äußerungen überprüfen, da sie den guten Gepflogenheiten ärztlichen Handelns widersprechen. … >>

    Ich warte immer noch darauf, dass viele aus der Ärzteschaft so mutig sind und tatsächlich an Ort und Stelle von Frau Lehmkuhl oder ihrem PR-Mitstreiter Gerd Glaeske Belege für diese aberwitzigen Behauptungen einfordern und in der Konsequenz zu entsprechenden juristischen Maßnahmen greifen.

    Anders ist diese Dreistigkeit nämlich erfahrungsgemäß nicht zu stoppen.

    Vermutlich würde Esowatch ein solches Vorgehen durch entsprechende Informationen (zum Beispiel in Form eines Blog-Beitrags) öffentlichkeitswirksam unterstützen.
    Man nennt dies einen Streisand-Effekt…

    Informationen zu den Drahtziehern solcher ideologisch motivierten Presse-Kampagnen liegen dort seit längerem in Massen vor:

    http://www.esowatch.com/ge/index.php?title=Konferenz_ADHS

    Antwort
  • Ich schliesse mich den Ausführungen von Martin an. Auch aus meinen Erfahrungen gibt es keine Evidenz für eine hohe Anzahl von Fehlverordnungen. Ich habe in den all den Jahren, in denen ich ADHS-Patientinnen und -Patienten behandle, beinahe täglich mit Ärztinnen und Ärzten zu tun und dabei weder direkt noch indirekt davon Kenntnis erhalten, dass es dabei zu leichtfertigen Verschreibungen von Stimulanzien gekommen ist. Dass es sich im Nachhinein manchmal erweisen kann, dass Stimulanzien nicht das Mittel der Wahl war, ist normal und passiert auch bei anderen Erkrankungen.

    90% Fehldiagnosen bei ADHS: Aus meiner Erfahrung kommt es tatsächlich vor, dass verkehrterweise eine ADHS-Diagnose gestellt wird. Aber eine Rate vom 90% ist natürlich absurd. Ich werde später einmal darlegen, welches Gründe sind, welche zu falsch-positiven ADHS-Diagnosen führen können.

    Zu Fehldiagnosen kommt es allerdings insofern recht häufig, weil eine ADHS übersehen bzw. verkannt wird.

    Antwort
  • Dass ADHS-Medikamente (in meinem Fall Amphetaminsulfat) mal „eben“ locker verschrieben werden, kann ich aus eigener Erfahrung deutlich verneinen. Ich wohne in der viertgrößten Stadt Deutschlands. Abgesehen davon, dass es Monate gedauert hat, bis ich mit bestätigter Diagnose überhaupt einen Arzt gefunden habe, der Stimulanzien verschreibt, so kam es mir wie ein Spießrutenlauf vor, ein Rezept in Vertretung für meine Ärztin zu bekommen, als diese in Urlaub war.

    Klar, ich war mal wieder spät dran, hab’s auf die letzte Minute verschoben und mir die Urlaubszeiten nicht notiert (Betroffene kennen die Situation).

    Umso dringlicher wurde es, da mir der Saft ausging und ich gerade eine neue Arbeitsstelle begonnen hatte.

    Ich habe also die Vertretungsärztin angerufen, die auf dem AB genannt wurde und dachte: die hat bestimmt BTM-Rezepte und da ich ja die alten Rezepte und sogar das Formular für das Schengener-Abkommen noch hatte, wird das sicher kein Problem. Ich irrte mich.

    Diese hatte schon mal keine BTM-Rezepte, gab mir aber eine Telefonnummer einer anderen Ärztin. Dieser faxte ich mein Anliegen; sie rief mich sogar zurück (was heutzutage nicht selbstverständlich ist): sie hatte leider auch keine. Ich sollte mich in den hiesigen Ambulanzen melden. In keiner (!) psychiatrischen Ambulanz konnte man mir weiterhelfen.

    Dann habe ich das Kompetenznetzwerk zu Rate gezogen. Nix. Mittlerweile sind Tage vergangen.

    Ich habe etliche Ärzte durchtelefoniert, die Kliniken angefragt, bis ich durch die Leitung des Kompetenznetzwerkes eine Telefonnummer bekam. Diese Ärztin hatte sich mir erbarmt und ich konnte diese aufsuchen. Ich sollte natürlich die Rezepte mitbringen. Sie selbst hatte vorher noch nie Samphetaminsulfatsaft verschrieben und hatte die Rezeptur von den anderen Rezepten übernommen.

    Ich kann von mir behaupten, dass ich sicherlich nicht auf den Mund gefallen bin. Auch habe ich gute Kenntnisse über das Hilfesystem und die ärztliche und stationäre Versorgung hier. Und ich wirke ganz bestimmt auch nicht wie jemand, der sich seinen Stoff besorgen will, nur damit er sich zudröhnen kann

    Was ich zu diesem Zeitpunkt allerdings alles in Bewegung setzten musste und dabei fast schon aufgegeben hatte, habe ich bisher noch nicht erlebt.

    Da finde ich es zynisch, wenn behauptet wird, dass man Stimulanzien durch jeden „Wald- und Wiesenarzt“ verschrieben bekommt oder sogar mal eben durch die Sprechstundenhilfe auf bereits unterschriebenem BTM-Rezept ausgehändigt bekommt.

    Die Realität sieht anders aus. Zumindest in der viertrößten Stadt Deutschlands, in der es nach dieser These ein Kinderspiel sein müsste, Stimulanzien verschrieben zu bekommen.

    Da frage ich mich doch glatt, wo all die vermeintlichen „Ritalin-Junkies“ ihren Stoff herbekommen?

    Antwort

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