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Zweitmeinung bei ADHS?

Viele Eltern von Kindern mit einer ADHS sind verunsichert, wenn die Kinderärztin oder der Kinderarzt zu einer medikamentösen Therapie rät. Sie wünschen eine Zweitmeinung. Ein Bedürfnis nach einer Second Opinion besteht oftmals auch dann, wenn die Probleme eines Kindes trotz Behandlung mit Medikamenten anhalten.

Da ich des Öftern Patienten im Rahmen einer Second Opinion untersuche, stelle ich gehäuft fest,

  • … dass Eltern sich oft lange nicht getrauten, eine weitere Fachperson um eine erneute Beurteilung zu ersuchen. Sie fühlten sich manchmal schon beim Gedanken an eine Zweitmeinung dem Arzt gegenüber schuldig, als würde dieser Schritt einem Vertrauensbruch oder einem Verrat gleichkommen.
  • … dass die gestellte ADHS-Diagnose in der Regel zutreffend, aber nicht immer vollständig war. Komorbide Störungen* und häufig auch die psychologische Dimension der Problematik wurden nicht immer erfasst.
  • … dass in anderen Fällen die Ursache der Problematik nicht in einer ADHS, sondern darin lag, dass primär Teilleistungsstörungen (z.B. Gedächtnisprobleme, Störungen des räumlichen Vorstellungsvermögens, Wahrnehmungsstörungen usw.) dazu führten, dass die betroffenen Kinder zum Ausgleich dieser Defizite besonders viel Konzentrationskraft aufbringen mussten, Stress entwickelten und deswegen unruhig und gereizt wurden. Im Schul- und Familienalltag zeigte sich in diesen Fällen – trotz anderer Ursache! – ein der ADHS zum Verwechseln ähnliches Bild. Problematisch wurde es dann, wenn eine medikamentöse Therapie die zugrunde liegende Problematik maskierte. Das heisst, die Konzentration wurde bestenfalls kurzfristig verbesserte, ein nachhaltiger Erfolg blieb indes aus.
  • … dass Zweitmeinungen immer wieder auch zum Thema Therapie gewünscht werden. Oftmals höre ich, dass Eltern irritiert sind, wenn die ADHS-Behandlung ihrer Kinder ausschliesslich in einer medikamentösen Therapie bestehen soll.
  • … dass die Untersuchungsbefunde oftmals auffallend schlecht dokumentiert sind. Eltern erhalten offenbar nur selten eine Kopie des Untersuchungsberichtes ihres Kindes.
  • … dass ich die Diagnose und Indikationen für einen medikamentöse Therapieversuch zwar bestätigen konnte, dass die Eltern aber keine weitere Unterstützung erhielten, dass kein Monitoring erfolgte und die Eltern nicht selten selbst bei der Ermittlung der richtigen Dosierung auf sich selbst angewiesen waren.

Wenn Eltern sich für eine Zweitmeinung entschliessen, sollten sie diejenige Fachperson, welche das Kind zuvor untersuchte, dazum bitten, demjenigen Kollegen, welcher die Second Opinion-Untersuchung durchführen wird, alle Unterlagen zuzusenden (Krankengeschichte, Befunde, Testunterlagen etc.) .

Lassen Sie sich nicht verunsichern, wenn die Fachperson dabei beleidigt reagiert. Die meisten Fachpersonen aber werden eine Zweitmeinung begrüssen und Ihnen diesbezüglich keine weiteren Steine in den Weg legen.

In einigen Fällen allerdings stehe auch ich einer Zweitmeinung skeptisch gegenüber. Zum Beispiel dann, wenn Eltern, die selbst von einer ADHS betroffen sind, von einer Abklärungsstelle zu andern ‚hypern‘, die vorgeschlagenen Therapien – kaum haben sie begonnen – bald wieder abrechen.

Informationen über den Untersuchungsablauf bei Verdacht auf Vorliegen einer ADHS kann man hier finden.

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* Zum Thema Komorbiditäten bei der ADHS siehe hier.

Ein Gedanke zu „Zweitmeinung bei ADHS?

  • Auch bei anderen Krankheiten hatte ich nie Probleme. Einige schienen sogar durchaus erfreut, Feedback von Seiten eines Kollegen zu bekommen.

    Letztlich ist es so, dass man selbst mit Diagnose und therapeutischem Prozess klarkommen muss, eventuelle Unsicherheiten gar kontraproduktiv für den weiteren Verlauf wären.

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