AllgemeinOff-Topic

Jeremie im Zirkus / Erlebnispädagogik des Jugendamtes Hamburg

Auf dem Weg von der Arbeit wird auf NDRinfo über Jeremie berichtet.
Jeremie ist aus dem Zirkus abgehauen, wohin er vom Jugendamt Hamburg gesteckt wurde und offenbar nicht bleiben wollte. Siehe hier

Wir hören im Radio erst die Oma, die jammernd beklagt, dass Jeremie nicht mit seiner Familie bzw. Geschwistern Weihnachten und Sylvester feiern darf. Der 11-jährige „Knabe“ wurde vom Jugendamt in einen Wanderzirkus vermittelt. Und ist dort mit einem Kleintransporter abgehauen oder wurde von der Grossfamilie „entführt“, was die aber bestreitet. Jetzt ist er weg.

Ich habe erst nicht glauben wollen, dass sowas geht. Ab in den Wanderzirkus. Das ist offenbar häufiger der Fall und vermutlich eine der wesentlichen Einnahmequellen dieser Wanderbetriebe.

Weil es dort in aller Regel einen familiären Zusammenhalt der Grossfamilie gäbe. Und schliesslich sei er ja Roma. Das sind die guten Argumente des Jugendamtes.

Ich kann und will nicht beurteilen, ob die Herausnahme von Jeremie die einzig richtige Lösung war. Sicher sind seine offenbar drogenabhängigen Eltern problematisch und wie nun die Grosseltern einzuschätzen sind, entzieht sich meiner Einschätzung. Sie seien auch überfordert gewesen.

Dafür war dann ein Vertreter des „Neukirchener Erziehungsvereins“ am Mikrophon. Dieser Verein hat den Zirkus ausgesucht. Und ist angeblich gut im Geschäft. Individualpädagogik lautet da das Schlagwort. Dieser Typ am Radio war derart desinformiert, dass mir Angst und Bange wurde.

Der Journalist wollte nun wissen, wie denn beurteilt wird, ob dies eine geeignete Maßnahme sei bzw. ob mit Jeremie direkt gesprochen werde.

Nein, das sei nicht üblich. Die Berichte des Zirkus hätten belegt, dass er sich da wohlfühlen würde. Und es sei nicht richtig, dass er dort als Feuerschlucker arbeite. Er sei gerne da.

Warum er dann aber sich offenbar an seine Grosseltern wandte, als er noch ein Jahr länger in dem Zirkus bleiben muss oder soll, bzw. nicht zu Weihnachten / Sylvester nach Hause darf, wollte der Reporter wissen.

Keine Antwort.

Ob er denn ein Handy habe bzw. ob er direkt mit dem Erziehungsverein oder mit der Jugendhilfe sprechen könne.

Nein, das sei nicht erforderlich bzw. bei den Besuchen im Zirkus (zu Hilfeplangesprächen) würde das ja möglich sein.

Was denn sei, wenn er tatsächlich da weggelaufen wäre (und nicht entführt wurde). Dann würde das Jugendamt wieder entscheiden, ob er da zurück müsse oder in eine andere Maßnahme vermittelt würde.

Hier geht es zwar vermutlich nicht um ADHS. Aber ganz offensichtlich um ein Kind, bei dem man sich mal eine psychotherapeutische, kinderpsychiatrische Diagnostik und Begleitung wünschen würde. Stattdessen spielt sich dieser ominöse „Erziehungsverein“ (angeschlossen an die Diakonie?) und das Jugendamt / Jugendhilfe gegenseitig den Ball und die Gelder zu.

Unglaublich!

6 Gedanken zu „Jeremie im Zirkus / Erlebnispädagogik des Jugendamtes Hamburg

  • Ja, und wenn Eltern ihre Kinder verhungert lassen, kümmern sich diese Ämter nicht. Sie haben ein auffallend gutes Händchen darin, wenn es darum geht, das falsche zu tun.

    Antwort
  • woanders gelesen:
    die pädagogische einzelintensivbetreuung bei jeremie umfasste sogar einen monatlichen (!!!) besuch des betreuungsvereins.
    na sowas!!
    was ist daran bitte intensiv oder einzel oder pädagogisch??
    immer mehr macht sich der eindruck breit, das im outgesourcten jugendhilfebereich „jeder darf, der die hand hebt“— qualifikationen brauchts für diese betreuungsvereine offenbar keine..
    (siehe andere fälle hamburger JA, siehe „kellerkind bad segeberg“ ect pp)

    Antwort
    • Ich habe beruflich ja auch häufiger mit „Problemjugendlichen“ zu tun. Mir ist völlig schleierhaft, wie man derartige Jugendliche nun in eine Zirkusfamilie stecken kann, die noch dazu wirtschaftlich existentiell davon abhängig sein dürfte, dass der Jugendliche da bleiben „muss“. Was für Berichte wird man da wohl erhalten. Hier geht es doch ganz klar um sonderpädagogischen Bedarf, wenn nicht kinderpsychiatrische Betreuung. Wir haben es wiederholt erlebt, dass Jugendamtsmitarbeiter und diese „Vereine“ Hand in Hand gezielt die kinderpsychologischen bzw. kinderpsychiatrischen Berichte ignorieren.

      Was bitte soll an Zirkus (noch dazu mit wechselndem „Wohnort“ bzw letztlich kaum zu erreichender Beschulung) denn so toll sein ? Was daran ist „Pädagogik“ ? Und eine Stunde Gespräch mit der Zirkusfamilie im Monat (nicht etwa dem Jugendlichen selber) ist ja echt die Höhe…

      Antwort
    • Danke. Ich befürchte, dafür ist die Seite schlicht nicht mehr uptodate… Aber im Prinzip schon. Immerhin erreiche ich mit web4health.info derzeit allein in Deutschland 7-10000 Leserinnen am Tag. 2003-4 war es innovativ 🙂

      Antwort
  • solche „geschichten“ finde ich fürchterlich. besonders wenn ihnen das ettikett roma oder sinti übergestreift werden kann.
    mich macht das fuchsteufelswild, wenn mit kindern so umgegangen wird.

    wurde in dem bericht irgendwas darüber gesagt, warum der junge seiner herkunftsfamilie weggenommen wurde? das „bürgerlichen“ konzept kann ja wenig bis nichts mit dem lebenskonzept der roma/sinti anfangen und bewertet diese menschen nach einem konzept, das dort nicht passt. macht mich auch immer ganz wild.

    kein kind läuft irgendwo weg, wenn es sich da, wo es ist wohl, geborgen und zuhause fühlt.

    und wenn’s auch noch aus einem zirkus abhaut, dann kann ein kind doch gar nicht mehr ausrufezeichen setzen! zirkus wäre, wenn es passen würde ein riesengroßer abenteuerspielplatz für 11 jährige jungs.

    ich kann nicht verstehen, warum es schwer sich in diese kinder hineinzufühlen.
    was ist denn daran so schwer?

    ich versteh das einfach nicht. mir tun diese kinder leid, nicht im sinne von mitleid, sondern dass keiner sie so nehmen kann wie sie sind. das ist traurig und das treibt die kinder in die flucht.

    die eigene großfamilie hat den jungen ganz sicher nicht entführt – nach meiner meinung und meinem gefühl – sonst wäre die oma nicht im radio zu hören.

    silvana.

    Antwort

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