ADHS Medikation mit Valdoxan versus Methylphenidat

Zugegeben, ich bin ein ziemlicher “Fan” von dem recht teurem Antidepressivum in der Therapie von Erschöpfungsdepressionen bzw. Depressionen mit Schlafstörungen bei Erwachsenen. Also zunächst einmal völlig unabhängig von ADS/ ADHS. Ich verordne es – zum Leidwesen unser Klinikapotheker bzw. Budgetverantwortlichen – recht häufig.

Neutral und unabhängig kann ich vielleicht daher nicht sein, aber ich finde es doch spannend wenn man ein völlig anderes Therapieprinzip in die ADHS-Therapie einbezieht.
Und in jeder meiner ADHS-Gruppen in der Klinik und fast allen Vorträgen erzähle ich was zum Thema Schlaf bzw. Schlafphasen-Verlagerung und ADHS. Und immer wird dabei auch der Einfluss von Melatonin auf die Tag-Nacht-Rhythmik bzw. Regulation von Schlaf und Wachrhythmen erwähnt.

Ich habe mich dann gefragt, ob es bereits Studien zum Thema Schlafstörungen bzw. Circadiane Rhythmusstörungen bei ADHS gibt, die nun speziell auch Valdoxan miteinbeziehen.

Und bin dann auf einen früheren Blogbeitrag von mir aus dem Jahr 2012 gestossen (hier) , der sich mit einer kleinen Anwendungsbeobachtung aus Deutschland bezog. Dort wurde Agomelatin gegenüber Placebo untersucht und eine Wirkung festgestellt. Aber eben vermutet, dass diese Wirkung schlechter bzw. geringer als Methylphenidat sei.

Das wurde nun in einer doppelblinden Studie geprüft. Dabei wurden (wenige) Kinder bzw. Jugendliche zwischen 6 und 12 Jahren in einer doppelblinden Studie entweder mit Methylphenidat (20 bzw 30 mg ) oder (gewichtsabhängig) mit 15 oder 25 mg Agomelatin (bei uns eben Valdoxan) über 6 Wochen behandelt. Die Beurteilung erfolgte u.a. nach dem Urteil der Eltern bzw. Lehrer.

So ganz klar ist mir nicht, wie die Methylphenidat-Dosierung erfolgte. Es wird von Ritalin gesprochen, aber nicht wie häufig am Tag das Medikament gegeben wurde. 30 mg Ritalin (kurzwirkend) auf einmal würde möglicherweise Nebenwirkungen, aber kaum eine Wirkung über den Tag machen….

Aber nun gut. Nehmen wir mal an, es wurde soweit vernünftig dosiert.

Im Ergebnis unterschieden sich die Gruppe der MPH- und der Agomelatin-Threapierten offenbar nicht. Es gab einen Trend zu weniger Schlafstörungen in der Agomelatin-Gruppe.

Hinsichtlich der Nebenwirkungen wurde von einer guten Verträglichkeit berichtet. Theoretisch könnte man sogar erwarten, dass die Kinder unter Agomelatin weniger / keine Nebenwirkungen haben würden. Bei  Erwachsenen (ich nehme an, bei Kinder natürlich auch) müssen aber aus puren Sicherheitsgründen in der Anfangsphase alle 3 Wochen die Leberwerte kontrolliert werden.

Es ist sicher viel zu früh, nun Agomelatin für die Behandlung von ADHS zu propagieren. Aber die Rolle von Schlafstörungen bei ADHS kann man gar nicht hoch genug einschätzen, da 70-80 Prozent der ADHS-Kinder Schlafstörungen haben und ganz sicher Schlafprobleme die ADHS-Symptomatik weiter verschlimmern. Dazu werde ich dieses Jahr noch 2 Vorträge halten dürfen, was mein Sonderinteresse derzeit natürlich noch weiter verstärkt.

Fazit : Möglicherweise erleben wir hier still und heimlich die Entwicklung einer neuen Behandlungsoption bei einer Gruppe von ADHS-Kids und Jugendlichen (und dann natürlich auch Erwachsenen). Es wäre genauer zu prüfen, wie die Wirkmechanismen eigentlich sind und wer nun von einer alleinigen Agomelatin-Behandlung profitiert oder wer ggf. nun von einer Kombinationsbehandlung z.B. von MPH plus Agomelatin einen Nutzen haben könnte.

Mein schlechtes Gewissen zur häufigen Verordnung von diesem Präparat ist also etwas weniger geworden….

Ein Gedanke zu „ADHS Medikation mit Valdoxan versus Methylphenidat

  • 13.06.2016 um 19:15
    Permalink

    Hallo Herr Dr. Winkler,

    das mit den Schlafstörungen sehe ich ebenfalls so. Wenn AD(H)S ein chronifiziert überreagibles Stressregulationssystem ist, spielt Schlaf als Stressbekämpfer eine zentrale Rolle. Eine Stunde länger geschlafen bedeutet einen Rückgang des morgendlichen Cortisolspiegels um (ich meine) 17 %.

    Ich habe gute Erfahrungen mit Trimipramin gemacht, um dem hinderlichen Gedankenkreisen beim einschlafen zu begegnen. Niedriger dosiert denn als Antidepressivum, hier also zwischen 20 und 40 Tropfen eine halbe bis eine Stunde vor dem zubettgehen. Dabei wirkt es leicht angstlösend.
    Anders als typische Schlafmittel hat man damit einen tiefen und erholsamen Schlaf, und es gibt wohl keine Gewöhnungseffekte.

    Haben Sie damit Erfahrungen ?
    Wie beurteilen Sie die Nebenwirkungen von Valdoxan im Vergleich zu Trimipramin ?

    Besten Dank,

    Ulrich Brennecke

    Antwort

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