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ADHS Zeit des Erwachens

Nein, hier geht es nicht um die Aufwachprobleme vieler ADHSler. Zeit des Erwachens ist vermutlich vielen als Buch von Oliver Sacks bzw. als entsprechender Film nicht unbekannt.

Nach der Rückkehr in die Klinik nach meinem Urlaub hatte ich so ein ähnliches Erlebnis. Ich bin ja seit einiger Zeit eigentlich nicht im ADHS-Bereich. Wie ich in den nächsten Blogbeiträgen aber darstellen werde, häufen sich gerade die ADHS-Erlebnisse.

Seit längerem betreue ich einen jungen Mann mit Depression und Magersucht. Vorkliniken und auch wir gingen von einem Hirnorganischen Psychosyndrom aus, weil er extrem konzentrationsgestört bzw. vergesslich war. Eigentlich vegetiert er schon längere Zeit nur vor sich hin.

Nach meinem Urlaub hatte ich mich dazu entschlossen, ihn mit Methylphenidat zu behandeln. Ich hatte durch Fremdanamnese schon deutliche ADHS-Hinweise, allerdings war die Symptomatik so “untypisch”.

Neuere Erkenntnisse zu Grundlagen der Anatomie bei ADHS lassen vermuten, dass eine Art innere Schaltzentrale (nennt man Pulvinar) bei ADHS eben nicht so richtig funktioniert. Vermutlich liegt auch bei der Zeitwahrnehmung bzw. der Vergabe von “Zeitstempeln” für die Wahrnehmung ein Problem vor. Letztlich ist dann die Orientierung in dem Wust von Sinneseindrücken bzw. auch inneren Wahrnehmungen und alten Erinnerungen schwierig, ja meist chaotisch.

Wenn also der innere Koordinator im Orientierungssystem versagt, geht nichts mehr.

Unter dieser Vorstellung entschied ich mich, meinem Patienten 2 mal 5 mg Methylphenidat zu geben. Das Ergebnis hat selbst mich überrascht.

Er blühte auf. Er beschreibt sehr schön, dass er jetzt endlich Erinnerungen abspeichern und wieder aufrufen kann. Er kann sich orientieren in seiner Innenwelt. Das beschreibt er als Kompass, der funktioniert. Er kann wichtige und unwichtige Dinge unterscheiden. Er hat sowas wie einen eigenen Willen.

Es ist schon erstaunlich, was 5 mg Methylphenidat ausrichten können.

Er wacht auf. Er lebt wieder.

Ein Gedanke zu „ADHS Zeit des Erwachens

  • Das finde ich höchst interessant. Dass die Orientierung bzw. die richtige Einordnung von Sinneseindrücken chaotisch ist, ist mir klar.

    Ich kenne das Phänomen aus der täglichen (selbsterlebten) Praxis. Jedesmal, wenn ich beruflich Außentermine habe und mein GPS im Handy mal wieder nicht funktioniert, gerade an Orten die ich noch gar nicht kenne, bin ich trotz Karte total aufgeschmissen. Schon als Kind konnte ich mir nicht merken, welchen Bus ich nehmem muss, um in die Stadt zu kommen. Und es waren nur zwei in meiner Ortschaft!

    Ich komme also sehr häufig zu spät zu Terminen, also Hausbesuchen. Laufe hektisch und verwirrt durch die Stadtteile und muss mich sehr häufig rechtfertigen. Abgesehen von den Verspätungen im Büro, die allerdings durch meinen Computer zu Hause zu erklären sind.

    Ich kann mir leider auch oft nur schwer merken, welchen Ausgang ich in größeren Bahnstationen nehmen muss, damit ich zur richtigen Straßenseite komme. Ich habe das Gefühl, das mein (geographischer) Orientierungssinn einfach nicht richtig funktioniert. Hat ja sicher auch mit meinem Gedächtnis zu tun.

    Ich weiß auch nicht, wie oft ich früher mit dem Auto die falsche Autobahnab- oder ausfahrt genommen habe, nur weil ich so überfordert war mit den tausend Schildern. Is’ nix für mich.

    Könnte das mit o.a. Sachverhalt zu tun haben?

    Viele Grüße

    Antwort

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