ADHS und / oder Depressionen – Was ist der ADHS Blues?
ADHS-Blues oder Depression? Ein Leitfaden zur Diagnose und Behandlung von Stimmungsschwankungen bei ADHS / Defizitärer Emotionaler Selbstregulation (DESR)

Einleitung
Viele Menschen mit ADHS erleben intensive, kurzfristige Stimmungstiefs, die schnell auftreten und wieder abklingen können. Diese als „ADHS-Blues“ bezeichneten Episoden sind belastend, lassen sich aber oft durch gezielte Aktivitäten oder eine Veränderung der Umstände relativieren. Trotzdem werden sie häufig mit klassischen Depressionen verwechselt, was die Diagnose und passende Behandlung erschwert.
Eine wichtige Differenzialdiagnose ist die kurzzeitige rezidivierende Depression (RKD), die kurze, häufige depressive Episoden umfasst und oft ebenfalls schwer von den ADHS-Blues abzugrenzen ist. Dieser Leitfaden soll helfen, die Unterschiede zwischen ADHS-Blues, RKD und Major Depression zu verstehen, um so gezielte und hilfreiche Therapieansätze zu ermöglichen.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist der ADHS-Blues, und warum wird er oft mit Depression verwechselt?
- Kurzzeitige rezidivierende Depression (RKD): Definition, Diagnosekriterien und Unterschiede zum ADHS-Blues
- Hauptmerkmale von ADHS-Blues vs. Major Depression
- Negative Hyperfokus-Phasen bei ADHS: Warum sie oft als depressives Grübeln missverstanden werden
- Antriebslosigkeit und „Freeze-Zustände“ bei ADHS: So unterscheiden sie sich von depressiver Antriebslosigkeit
- Empfohlene Diagnosekriterien für ADHS-Blues: Wie eine differenzierte Diagnostik die Behandlung verbessern könnte
- Fazit: Die Notwendigkeit differenzierter Diagnosekriterien für eine passgenaue Therapie bei ADHS und depressiven Störungen
1. Was ist der ADHS-Blues, und warum wird er oft mit Depression verwechselt?
ADHS-Blues sind kurze Phasen intensiver Niedergeschlagenheit, die oft innerhalb weniger Stunden bis Tage wieder abklingen. Diese Stimmungseinbrüche treten meist reaktiv auf – das heißt, sie sind stark an äußere Stressoren gebunden, wie zwischenmenschliche Konflikte, Kritik oder Situationen von Überforderung. Auch Selbstkritik und ein negatives Selbstbild werden durch den ADHS-Blues verstärkt, was die Symptome einer Depression nachahmt.
Warum die Verwechslung passiert:
Die schnelle Veränderung der Stimmung und die hohe Sensibilität auf externe Reize lassen die Symptome der ADHS-Blues wie eine Depression erscheinen. Die Unterscheidung ist jedoch entscheidend, da ADHS-Blues in der Regel kurzfristig und von äußeren Faktoren abhängig sind, während depressive Episoden bei Major Depression oder RKD eine längere Dauer und eine unabhängigere Symptomatik aufweisen.
Tipp: Halten Sie in einem Symptomtagebuch fest, wann die Stimmungsschwankungen auftreten und welche äußeren Einflüsse sie möglicherweise verstärken. So lässt sich der Verlauf der ADHS-Blues besser nachvollziehen und von einer klassischen Depression abgrenzen.
2. Kurzzeitige rezidivierende Depression (RKD): Definition, Diagnosekriterien und Unterschiede zum ADHS-Blues
Die kurzzeitige rezidivierende Depression (RKD), die im ICD-10 unter dem Code F38.10 gelistet ist, ist durch kurze depressive Episoden definiert, die eine Dauer von ein bis 13 Tagen haben und etwa monatlich auftreten. Diese episodischen Depressionen verursachen erhebliche psychosoziale Beeinträchtigungen und treten unabhängig von zyklischen oder hormonellen Einflüssen auf.
ICD-10-Kriterien für RKD:
- Episodendauer: 1–13 Tage
- Häufigkeit: Etwa monatlich über mindestens ein Jahr
- Unabhängigkeit vom Menstruationszyklus: Die Episoden treten nicht hormonell bedingt auf.
- Psychosoziale Beeinträchtigung: Die Episoden beeinträchtigen den Alltag erheblich und sind unabhängig von äußeren Stressoren.
Vergleich zu ADHS-Blues:
Im Unterschied zur RKD sind die ADHS-Blues oft kurzlebiger (wenige Stunden bis ein bis zwei Tage) und treten häufiger als einmal pro Monat auf. Außerdem sind sie reaktiver – das heißt, sie werden durch spezifische äußere Faktoren ausgelöst und lösen sich oft, sobald sich die Umstände ändern oder eine gezielte Ablenkung erfolgt.
Wichtig für die Diagnose: ADHS-Betroffene, die regelmäßig depressive Symptome erleben, aber auf situative Veränderungen stark reagieren und schneller Erleichterung finden, könnten eher unter ADHS-Blues als unter RKD leiden. Eine exakte Diagnose ist entscheidend, da RKD und ADHS-Blues unterschiedliche Therapieansätze erfordern.
3. Hauptmerkmale von ADHS-Blues vs. Major Depression
Sowohl ADHS-Blues als auch Major Depression weisen Symptome wie Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und Gedankenkreisen auf. Ein genaues Hinsehen zeigt jedoch deutliche Unterschiede in Verlauf und Schweregrad.
- Dauer: ADHS-Blues sind oft kurzfristig und dauern meist nur wenige Stunden bis ein oder zwei Tage an, während eine Major Depression sich über mindestens zwei Wochen erstreckt.
- Reaktivität auf Stressfaktoren: ADHS-Blues werden oft durch äußere Faktoren wie Konflikte oder Überforderung ausgelöst und klingen bei Ablenkung oder einer Veränderung der Situation schnell ab. Major Depression ist hingegen stabiler und bleibt oft bestehen, unabhängig von äußeren Umständen.
- Emotionale Labilität: ADHS-Betroffene erleben schnelle Wechsel in ihrer Stimmung, die oft intensiver, aber auch flüchtiger sind. Major Depression hingegen ist meist mit einer anhaltenden, tiefen Niedergeschlagenheit verbunden, die schwer durchbrochen werden kann.
Tabelle zur Unterscheidung
| Merkmal | ADHS-Blues | Major Depression |
|---|---|---|
| Dauer | Stunden bis max. 1–2 Tage | Mindestens 2 Wochen |
| Reaktivität | Situationsgebunden, schnelle Erholung | Stabile Niedergeschlagenheit |
| Beeinflussbarkeit | Schnell veränderbar durch Ablenkung | Kaum Beeinflussung durch Ablenkung |
Diagnose-Tipp: ADHS-Betroffene sollten beobachten, ob ihre Stimmungsschwankungen von äußeren Faktoren beeinflusst werden und ob positive Ablenkungen die Stimmung verbessern können. Das hilft, ADHS-Blues von Major Depression abzugrenzen.
4. Negative Hyperfokus-Phasen bei ADHS: Warum sie oft als depressives Grübeln missverstanden werden
Ein typisches Phänomen bei ADHS ist der negative Hyperfokus – eine starke, oft ungewollte Fixierung auf negative Gedanken oder Erlebnisse. In diesem Zustand verharren Betroffene gedanklich in Schleifen aus Selbstkritik und Zweifeln, was ähnliche Symptome wie das Grübeln bei Depression hervorruft.
Unterschied zur Depression: Der negative Hyperfokus ist oft an spezifische Ereignisse oder Auslöser gebunden und kann durch Ablenkung oder Perspektivwechsel aufgebrochen werden, während depressive Grübelepisoden tiefer verankert und schwerer zu unterbrechen sind.
Tipp: Ein „Gedankenparkplatz“, bei dem belastende Gedanken notiert und später reflektiert werden, kann helfen, sich aus dem Hyperfokus zu lösen.
5. Antriebslosigkeit und „Freeze-Zustände“ bei ADHS: So unterscheiden sie sich von depressiver Antriebslosigkeit
ADHS-Betroffene erleben bei Überforderung oder starker Reizüberflutung häufig einen sogenannten „Freeze-Zustand“. In diesem Zustand fühlen sie sich emotional blockiert und unfähig, Aufgaben anzugehen. Diese Freeze-Zustände sind jedoch oft kurzfristig und lösen sich mit Unterstützung oder durch äußere Veränderungen wieder.
Unterschied zur Depression: Bei Depression bleibt die Antriebslosigkeit oft stabil und beeinträchtigt das gesamte Leben über Wochen oder Monate hinweg. Der Freeze-Zustand bei ADHS ist hingegen flüchtig und reaktiv – eine Reaktion auf momentane Überforderung, die sich leichter durch gezielte Selbstaktivierung aufbrechen lässt.
Tipp: Wenn die Antriebslosigkeit sich durch Aktivitätswechsel oder Unterstützung verbessern lässt, handelt es sich eher um einen ADHS-bedingten Freeze-Zustand.
6. Empfohlene Diagnosekriterien für ADHS-Blues: Wie eine differenzierte Diagnostik die Behandlung verbessern könnte
Angesichts der spezifischen Dynamik von ADHS-Blues wäre eine genauere Diagnose hilfreich, die den Besonderheiten von ADHS gerecht wird. Folgende Kriterien könnten für eine erweiterte Diagnostik von ADHS-Blues hilfreich sein:
- Kurze Episodendauer: Die Stimmungstiefs dauern meist nur wenige Stunden bis ein oder zwei Tage.
- Reaktivität auf äußere Stressoren: ADHS-Blues treten als Reaktion auf spezifische Auslöser wie Konflikte, Überforderung oder Kritik auf.
- Schnelle Erholung durch Ablenkung: Die Stimmung stabilisiert sich oft schnell, wenn die äußeren Umstände sich ändern oder eine Ablenkung stattfindet.
- Negative Hyperfokus-Phasen: Kurzzeitige Phasen intensiven, negativen Gedankenkreisens, die jedoch situationsgebunden und durch äußere Einflüsse veränderbar sind.
- Emotionale Labilität: Schnelle und intensive Stimmungsschwankungen, die jedoch weniger stabil und umfassend sind als bei Major Depression.
Vorteile einer differenzierten Diagnose
Eine differenzierte Diagnostik für ADHS-Blues würde verhindern, dass Betroffene mit einer klassischen Depression fehldiagnostiziert werden und nicht zielgerichtet behandelt werden. Medikamente und Therapieansätze für Major Depression greifen bei ADHS-Blues oft nicht. Ein speziell auf ADHS-Dynamiken abgestimmter Behandlungsplan könnte daher die Effektivität der Behandlung steigern und unnötige Nebenwirkungen vermeiden.
7.Die Notwendigkeit differenzierter Diagnosekriterien für eine passgenaue Therapie bei ADHS und depressiven Störungen
Der ADHS-Blues, die kurzzeitige rezidivierende Depression (RKD) und die Major Depression überschneiden sich in manchen Symptomen, doch unterscheiden sie sich deutlich in ihrer Dauer, Reaktivität und Stabilität. Die besondere Dynamik der ADHS-Blues macht eine differenzierte Diagnose erforderlich, die spezifische Merkmale wie hohe Reaktivität, kurze Episodendauer und negative Hyperfokus-Phasen berücksichtigt.
Zusammenfassung:
Eine differenzierte Diagnose, die zwischen ADHS-Blues, RKD und Major Depression unterscheidet, könnte dazu beitragen, gezieltere Therapieansätze zu entwickeln und unnötige Fehldiagnosen zu vermeiden. Eine präzise Diagnostik für ADHS-Blues würde die Bedürfnisse von Betroffenen besser berücksichtigen und den Weg zu einer passgenauen und effektiven Therapie ebnen.



Wie immer, eine großartige Zusammenfassung.
Vielen Dank dafür