$ 4,995.00
In meinem kürzlich veröffentlichten Beitrag “ADHS-Kriterien nach DSM-5: Fluch oder Segen?” habe ich postuliert, dass die Änderungen der ADHS-Kriterien zu einer “grösseren Prävalenz” und damit zu einer Ausweitung der Absatzmärkte für ADHS-Medikamente führen werde.
Dass dieser Überlegung mehr als nur ein Gedanke zugrunde liegt, zeigen Marktanalysen: Zum Beispiel vom amerikanischen Marktforscher GBI Research, der zu verschiedenen Produkten ausführliche Marktanalysen erstellt und vertreibt. Zweck dieser Berichte ist es, unter anderem Pharmaunternehmen sowie deren Investoren und Aktionären Informationen und Entscheidungsgrundlagen für Marketingpläne und die operative Umsetzung bereitzustellen.
Dem letzten ADHS-Bericht der GBI Research zufolge werde der Umsatz von AHDS-Medikamenten weltweit von 7 Milliarden Dollar (2013) bis im Jahr 2020 voraussichtlich auf 10 Milliarden Dollar anwachsen. Bereits in ihrem ADHS-Bericht von 2013 bezog sich die Analyse von GBI Research explizit auf die marktfördernden Neuerungen im DSM-5.
Die Berichte von GBI Research können übrigens hier bestellt werden. Allerdings nicht kostenlos. Der jüngste ADHS-Bericht vom Sommer 2014 kostet $ 4,995.00.
Teuer?
Von wegen! Das ist doch ein Pappenstielchen im Vergleich zu den satten Gewinnen, welche den Aktionären von Pharmafirmen, welche ADHS-Medikamente herstellen und vertreiben, dank dem DSM-5 winken.
Nun, so könnte man sich jetzt fragen, ist das alles nicht zu einseitig? Bleibt denn für ADHS-Betroffene von der neusten Revision des DSM wirklich nichts Positives übrig?
Ich vermute, dass dem tatsächlich so sein wird. Bei den Detailverbesserungen (hier erwähnt) handelt es sich um Anpassungen an längst herrschende Gepflogenheiten im klinischen Alltag. Gerne lasse ich mich aber eines Besseren belehren.
Kann man ja alles kritisieren. Am Ende bleibt die Frage, ob bei einer bisher unzureichenden Versorgung mit Medikation man das so kritisch sehen sollte. Die Hürden, überhaupt Hilfen zu erhalten, sind oft so extrem hoch, dass Antriebsgestörte, Schwache und Kranke diese oft gar nicht überwinden können. Die Mehrheit der ADHSler weiß nichts von ihrer Störung und weiß nicht, wieso ihr Leben so viel härter ist, als das der Anderen, die oft das vielfache leisten und dabei entspannter bleiben, obwohl auch sie nicht selten an der Leistungsgrenze werkeln müssen.
Ganz wertneutrale Feststellung: Am Ende ist die Schaffung eines Marktes zur Befriedigung eines gesellschaftlichen Interesses und Bedarfs ein Produkt des Neoliberalismus/Turbokapitalismus. Da muss alles zu einem Markt muss oder es wird nicht versorgt. Die Öffnung eines Bedarfes für die Versorgung einer chronischen Krankheit mit Medikamenten muss also ein Markt sein. Das ist Teil der gesellschaftlichen Strukturen und das ist die Chance, die die Entscheider aus der Politik und Fachleute aus der Wissenschaft nutzen und ein Interesse das naturgemäß die Nutznießer dieser Märkte haben, in unserem Fall Pharmakonzerne.
Solange das am Rande und im Rahmen vertretbarer Medikation erfolgt, sehe ich persönlich kein Problem. Das die Sachverhalte aus der Sicht der BWR und Erfolgsanalyse der Pharmabranche seltsam aussehen, ist doch logisch.
Der Betroffene ist froh, endlich etwas mehr zu schaffen, eine kleine Erleichterung durch das Medikament zu haben. Die Politik und die Helferorganisationen sind froh, das sie helfen können. Pharmavertreter und Marketingstrategen sind froh, das sie Ihren Chefs endlich einen Grund für die viele Kohle liefern können, die sie so in den Äther blasen. Also alles nur halb so heiß gegessen, wie es gekocht wird.
Mir fehlt bei den Hinweisen auf die Nutznießer solcher Änderungen immer die größte Gruppe mit den sattesten Gewinnen, das ist nämlich nicht die Pharma-Industrie. Die Ausweitung der Diagnosen kommt in erster Linie den Psychoberufen zunutze. Mehr Diagnosen bedeutet mehr Therapien. Das ist eine ideale Pfründesicherung der Krankheitsbesprecher, deren Nutzen doch oft reichlich fragwürdig ist. Aber leider ist Psychotherapie eine heilige Kuh unserer Gesellschaft und sakrosankt.
Das ist sachlich falsch. Psychologen und Psychiater, welche 1:1 mit ADHS-Betroffenen und anderen Patienten arbeiten, werden durch ihre psychotherapeutische Arbeit alles andere als reich. “Satte Gewinne” macht man nur dann, wenn man im grossen Stil andere für sich arbeiten lässt. Oder via Aktien (z.B. von der Pharmaindustrie) Geld verdient, welches andere erarbeitet haben, ohne dabei auch nur einen Finger zu krümmen.