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ADHS – Methylphenidat verbessert Gedächtnisfunktionen

Im Rahmen einer ADHS-Diagnostik sollte (die Betonung liegt auf sollte) eine gute neuropsychologische Diagnostik erfolgen. Das ist aber ganz und gar nicht einfach und es stellt sich dann die Frage, wie man die dabei erzielten Resultate denn nun beurteilt oder welche therapeutischen Konsequenzen sich daraus ergeben.

Profis unter meinen psychologischen Kollegen gehen beispielsweise davon aus, dass weniger die Ergebnisse in den Tests eine Aussage ergeben. Vielmehr interessiert sie die Verhaltensbeobachtung und auch die Variabilität der Leistungsfähigkeit an verschiedenen Tagen bzw. in einem unterschiedlichen Umfeld.

Ich finde es aber schon wichtig zu schauen, welche der höheren Hirnfunktionen (Exekutivfunktionen) nun auf welche Art der Therapie ansprechen.

Eine ganz gute Studie beschäftigt sich jetzt mit der Frage, ob (bzw. welche Gedächtnisfunkionen) bei Erwachsenen mit ADHS beeinträchtigt sind und in welchem Ausmaß diese Einschränkungen durch eine Medikation verbessert werden können. Wenn denn überhaupt.

Platt ausgedrückt : Ist Ritalin eine Pille gegen Vergesslichkeit ?

Einer meiner ersten Patienten fühlte sich mit etwas mehr als 18 Jahren wie ein Alzheimer-Patient. Und hat deshalb einen schweren Suizidversuch unternommen.

Ähnliche Probleme mit dem Zugriff auf das Gedächtnis, aber auch das sog. Prospektive Gedächtnis (also der Ausführung von geplanten Handlungen in der Zukunft) haben praktisch alle meine Klienten. Und ich selber halt auch.

In der Studie zeigte sich, dass Methylphenidat tatsächlich auf das Gedächtnis positiv wirkt. Sei es direkt oder vielleicht auch indirekt darüber, dass andere Funktionen koordinierter ablaufen oder aber unsinnige andere Dinge und Abläufe gebremst werden.

So “normal” wie die Referenz-Gruppe der neurotypischen Probanden wurden die ADHSler in Hinblick auf die Gedächtnisfunktionen aber nicht. Es bleiben also noch Einschränkungen, die man über Verhaltenstherapie, besser aber wohl eher Coaching und Anpassung der Umgebung oder Hilfsmittel ausgleichen sollte.

Mich würde interessieren, welche Tests zur Diagnostik hier wirklich aussagekräftig sind. Oder welche Strategien bei Euch zum Ausgleich von Gedächtnisproblemen geholfen haben.

2 Gedanken zu „ADHS – Methylphenidat verbessert Gedächtnisfunktionen

  • Ich habe 5 Jahre lang mph genommen, im Alter von 55-60 Jahren und jetzt 1 Jahr abgesetzt. Ich habe jetzt wirklich eine Veränderung in meinem Verhalten beobachtet. Ich bin viel ruhiger, organisierter, kann zuwarten. Aber immer noch aufbrausend. Was mir besonders auffällt ist, dass ich jetzt extrem Mühe habe damit, eine Aufgabe überhaupt anzufangen. Das war früher besser. Das Gedächtnis war im Langzeitgedächtnis immer schon sehr gut, im Arbeitsgedächtnis unter mph ausreichend, jetzt auch noch ausreichend. Schwierig ist immer die letzte Minute vor dem Verlassen des Hauses. Das war unter mph bedeutend besser, jetzt habe ich gelernt etwas mehr Zeit für Vorbereitung einzuplanen. Aber es war und ist immer noch schlechter als bei Normalos. Ich muss das wirklich bewusst machen. Einfach spontan den Schlüssel packen und aus dem Haus funktioniert nie. Es geht immer etwas vergessen. Was meines Erachtens weniger mit dem Gedächtnis zu tun hat, als mit der Ablenkung.

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  • Danke für die Info!

    Um festzustellen oder zu bestätigen, dass bei Vorliegen einer ADHS eine Therapie mit Stimulanzien die Exekutiv- und damit auch die Arbeitsgedächnisfunktionen verbessert werden, braucht es ja eigentlich keine Studie. Das ist bereits klinisch evident genug. Jeder Betroffene und jede Fachperson weiss um diese Effekte (sofern die Patienten auf die Therapie ansprechen).

    Sinn und Zweck einer neuropsychologischen Untersuchung liegen meines Erachtens in erster Linie darin, dass ADHS-ähnliche (Diffenenzialdiagnostik) oder die ADHS begleitende und therapeutisch relevante Probleme erfasst werden können (Erkennen von komorbiden Störungen).

    Einer neuropsychologischen Diagnostik kommt – wie ich hier gezeigt habe – auch im Rahmen der Therapie Bedeutung zu:

    Im Behandlungsverlauf ermöglichen neuropsychologische Verlaufskontrollen nämlich eine effiziente Beurteilung der Wirkung therapeutischer Massnahmen (insbesondere bei der Behandlung mit Stimulanzien). Und zwar bei Kindern und Erwachsenen.

    Passt die medikamentöse Therapie (Wahl des Medikamentes, Dosierung, Kombinantionsbehandlungen), so liegen die Werte des Go/Nogo-Test (sowie Tests, welche andere Exekutivfunktionen prüfen) – im Gegensatz zu den Resultaten der Eingangsuntersuchung – in den allermeisten Fällen im „grünen Bereich“. Selbstverständlich wirken die besser funktionierenden Exekutivfunktionen sich dann auch im Alltag der Patienten wohltuend aus.

    Selbstverständlich kann im Rahmen einer Verlaufsdiagnostik auch ein allfälliges Nichtansprechen auf Stimulanzien objektiviert werden. Man kann dann zügiger ein Wechsel des Medikamentes ins Auge gefasst werden.

    Angesichts der Evidenz der Bedeutung neuropsychologischer Untersuchungen bei Verdacht auf ADHS wundere ich mich immer wieder, wieso in den Leitlinien der ADHS-Diagnostik und -Therapie dieses Thema derart stiefmütterlich behandelt wird.

    Wer sich noch genauer für die Bedeutung neuropsychologischer Tests bei ADHS-Untersuchungen interessiert, kann hier mehr erfahren.

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