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ADHS in der Schule : Von Unsichtbaren und Übersehenen

Neurodiversität im Schulsystem: Zwischen Anpassung und Anerkennung


In unserer modernen Bildungswelt stehen wir vor einer herausfordernden Wahrheit: Viele neurodivergente Kinder bemühen sich täglich, sich dem bestehenden Schulsystem anzupassen. Diese Bemühungen sind oft ein stummer Kampf, der weder wahrgenommen noch entsprechend unterstützt wird. Gerade Kinder mit ADHS, Autismus oder anderen Formen der Neurodiversität stehen vor dieser Herausforderung. Und nicht nur Schulabsentismus, immer frühere soziale Ängste bzw. Angststörungen, Depressionen und Essstörungen sind eine mögliche Folge.

Natürlich hat Schule bzw. das Bildungssystem noch viele andere Probleme. Und vermutlich können die Lehrerinnen und Lehrer nur wenig dafür, dass die Bedingungen so sind, wie sie sind. Aber klar ist auch : Bessere Bedingungen für neurodivergente Kinder aus dem ADHS- und Autismus-Spektrum würde dann für alle (auch neurotypische) Schüler eine bessere Lernumgebung schaffen.

Die Unsichtbaren und die Übersehenen



Es gibt zwei Gruppen neurodivergenter Kinder in unserem Bildungssystem: die Unsichtbaren und die Übersehenen. Die “Unsichtbaren” sind jene Kinder, deren neurodivergente Eigenschaften nicht offensichtlich sind oder die gelernt haben, ihre Symptome zu maskieren. Sie kämpfen im Stillen, oft ohne dass Lehrkräfte oder Mitschüler ihre Herausforderungen erkennen. Diese Kinder erhalten selten die Unterstützung, die sie benötigen, da ihre Schwierigkeiten nicht sichtbar sind. Das mag scheinbar gut sein, da die Schulnoten zunächst keinen Anlaß für Ärger ergeben. Dennoch sind die langfristigen Folgen häufig extrem bzw. es kommt nicht selten zu einem scheinbar unvorhersehhbaren Einbruch, wenn das Maskieren bzw. Camouflage nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

Auf der anderen Seite stehen die “Übersehenen”. Diese Kinder zeigen deutliche Zeichen ihrer Neurodiversität, werden aber oft missverstanden. Ihr Verhalten wird fälschlicherweise als Ungehorsam oder Desinteresse interpretiert. In Wirklichkeit benötigen sie spezielle Ansätze und Hilfestellungen, um im Schulalltag erfolgreich zu sein. Leider werden ihre Bedürfnisse häufig übersehen, und sie werden nicht selten in die Rolle des Problemkindes gedrängt. Paradoxerweise hat es diese Gruppe häufig sogar “besser”. Denn ihr Störverhalten fordert zum Handeln der Bezugspersonen auf. Leider nicht selten aber auch schlicht dazu, dass das Prolem (sprich der Schüler) ausgeschlossen wird.

Anpassung vs. Anerkennung


Das aktuelle Schulsystem basiert halt weitgehend auf Standardisierung und Konformität. Neurodivergente Kinder werden oft dazu gedrängt, sich anzupassen, anstatt dass ihre einzigartigen Fähigkeiten und Bedürfnisse anerkannt und gefördert werden. Diese Anpassungsforderung kann für neurodivergente Kinder extrem belastend sein und zu Angst, Frustration und einem geringen Selbstwertgefühl führen. Und hier sagen scheinbar gute Schulnoten wenig bzw. nichts darüber aus, ob dieser Prozess im Sinne von psychischer Gesundheit nun gelingt oder zur Katastrophe beiträgt.

Eine inklusive Bildung, die Neurodiversität anerkennt und wertschätzt, könnte hingegen eine Umgebung schaffen, in der alle Kinder gedeihen können. Nicht nur im Längenwachstum, sondern hin zu einer Resilienz für spätere emotionale Herausforderungen im Leben. Denn das wäre die eigentliche Aufgabe von Bildung. Nicht nur abstraktes Wissen vermitteln, sondern die Grundlagen für das spätere Leben schaffen.
Dies erfordert eine Abkehr von der Einheitslösung und die Entwicklung individueller Lernpläne, die die Stärken und Herausforderungen jedes Kindes berücksichtigen.

Der Weg zur Inklusion


Inklusion in der Bildung bedeutet mehr als nur die physische Anwesenheit von neurodivergenten Kindern in regulären Klassen. Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem jedes Kind seine Potenziale voll entfalten kann. Dazu gehört die Bereitstellung von Ressourcen, speziellen Lehrmethoden und einer schulischen Kultur, die Vielfalt und Unterschiedlichkeit als Stärke sieht.

Lehrkräfte spielen eine entscheidende Rolle in diesem Prozess. Sie benötigen entsprechende Fortbildungen, um neurodivergente Kinder zu verstehen und effektiv zu unterstützen. Zudem ist eine enge Zusammenarbeit mit Eltern und Fachkräften essentiell, um ein ganzheitliches Verständnis für die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes zu entwickeln.

10 Merkmale eines neuro-inklusiven Unterrichts


Ein neuro-inklusiver Unterricht, der die Bedürfnisse von Schülern und Lehrern aus dem Neurodivergenz-Spektrum berücksichtigt, sollte doch mindestens folgende Merkmale aufweisen:

  • Individuelle Lernpläne: Anpassung des Lehrplans an die individuellen Stärken und Herausforderungen jedes Schülers.
  • Flexible Unterrichtsmethoden: Einsatz verschiedener Lehrmethoden, um unterschiedliche Lernstile zu berücksichtigen.
  • Sensibilisierung und Fortbildung für Lehrkräfte: Regelmäßige Schulungen für Lehrkräfte, um ein besseres Verständnis für Neurodiversität zu entwickeln.
  • Kollaborative Lernumgebungen: Förderung von Gruppenarbeit und sozialen Interaktionen, die auf die Bedürfnisse neurodivergenter Schüler abgestimmt sind.
  • Anpassbare Klassenräume: Gestaltung von Lernumgebungen, die sensorische Überlastungen minimieren und Konzentration fördern.
  • Integration von Technologie: Einsatz von technologischen Hilfsmitteln, die individuelles Lernen unterstützen.
  • Stärkung der Selbstbestimmung: Ermutigung der Schüler, ihre Bedürfnisse zu äußern und an Entscheidungen über ihren Lernweg teilzuhaben.
  • Eltern- und Fachkräftebeteiligung: Enge Zusammenarbeit mit Eltern und Fachkräften, um ein umfassendes Verständnis der Bedürfnisse jedes Kindes zu gewährleisten.
  • Positive Verstärkung: Einsatz von positiver Verstärkung und Ermutigung, um das Selbstwertgefühl der Schüler zu stärken.
  • Inklusive Bewertungsmethoden: Entwicklung von Bewertungsmethoden, die die individuellen Fähigkeiten und Fortschritte jedes Schülers berücksichtigen.

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