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ADHS und Essstörungen / Bulimie und Binge Eating Störung

In den vergangenen Jahren habe ich ja schwerpunktmässig in einer Klinik für Essstörungen und ADHS gearbeitet. Da ich demnächst diese Klinik verlasse ist es Zeit für einen gewissen Rückblick auf das Thema.

Ich selber bin ja über das Thema Borderline-Störungen damals 1998/99 in Bad Bramstedt auf das Thema ADHS bei Erwachsenen gekommen. Schon damals aber eben naturgemäss auch häufig auf Bulimikerinnen mit ADHS gestossen. Der Zusammenhang von ADHS und Borderline ist heute “etabliert”.

Schon häufiger haben wir auf das Thema ADHS und Übergewicht / Adipositas hingewiesen. Wenig überraschend finden sich gerade aktuell zahlreiche neue Studien, die auch einen Zusammenhang von ADHS-Konstitution und Binge Eating Störung bzw. Bulimie zeigen.

Beispielsweise hier.

In meiner derzeitigen Psychotherapiegruppe bestätigt sich dieser Trend mehr als eindeutig. Man könnte schon behaupten: Es ist heute ein Kunstfehler, wenn man bei Vorliegen von Purging (Erbrechen) bzw. Heisshungeranfällen und Bulimie NICHT eine ADHS-Diagnostik durchführt.

Gerade weil es eben auch für die Behandlung bzw. Rückfallprophylaxe eine grosse Rolle spielt. Bei vielen Patientinen hört die innere Anspannung bzw. der Symptomdruck unter Stimulantienmedikation (bei mir bevorzugt Amphetamine) schlagartig auf. Aber auch für das Störungsverständnis ist die Diagnostik wichtig (sollte aber unbedingt umfangreich auch etwaige traumatische bzw. dissoziative Phänomene beachten).

Nicht so ganz zustimmen mag ich der Einschätzung, dass ADHS bei Anorexie keine Rolle spielt. Ich denke, dass hier schlicht die Methodik der Untersuchung “zuschlägt”. Piero Rossi hatte ja ADHS bzw. ADS als “Krankheit der negativen Gefühle” beschrieben und zeigt dabei quasi die Grundlagen für die Entwicklung von Emotionsregulationsproblemen bzw. negativem Selbstwert auf. Bei hoher Aussenorientierung fällt dann eine entsprechende ADHS-Konstitution lange nicht auf. Aber gerade bei chronisch verlaufender Magersucht (mit Heisshungerphasen bzw. Erbrechen) sowie Selbstverletzungsdruck sollte man unbedingt eine ADHS-Diagnostik machen. Dann aber bitte durch Anamnese / Fremdanamnese und nicht allein über Fragebögen.

16 Gedanken zu „ADHS und Essstörungen / Bulimie und Binge Eating Störung

  • Kristin Kortlang

    Hallo allerseits! Ich bin gerade zufällig auf diesen Blog gestoßen.
    Ich habe seit 20 Jahren Bulimie, habe eine Borderline-Diagnose und bin immer wieder am Kämpfen, Fallen und Aufstehen. Mein Sohn hat mit 6 Jahren ADHS diagnostiziert bekommen,
    kommt aber mittlerweile super in der Schule klar und bekommt tolle Unterstützung von allen.
    Ich habe gestern von meiner Therapeutin gesagt bekommen, dass Sie bei mir ADHS vermutet.
    Ich weiß damit nicht so recht umzugehen, aber scheinbar trifft bei mir vieles zu, was für eine ADS Diagnose spricht. Ich hätte das bei mir nie vermutet, da ich nie ein Zappelphilipp wie mein Sohn war sondern eher die verträumte unordentliche Chaosqueen:)
    Ich habe schon so oft ohne langfristigen Erfolg versucht gegen die Bulimie anzukämpfen, aber ohne langfristigen Erfolg.
    Vielleicht hat jemand ein paar Vorschläge, wie ich jetzt weiter mit der Verdachtsdiagnose umgehen könnte!
    Danke und viele Grüße, Kristin

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    • Zunächst wäre wirklich weitere Orientierung z.B. in einer Selbsthilfegruppe hilfreich. Ich biete ja bei Facebook eine Gruppe ADHSSpektrum Dr. Winkler an. Sonst bei ADHS-Deutschland. Ende Oktober werde ich in MÜnsingen einen Vortrag zu ADHS und Essstörungen halten (Kolleg DAT, Cordula Neuhaus).

      Antwort
    • Hallo Kristin,

      Du musst brauchen, deine Liebe zum Brechen zu überwinden und anfangen in die Richtung zu denken, dass Brechen entgegen dem, was die Sucht dir vergaukelt, keine Freiheit, sondern noch mehr Einschränkung bedeutet.

      Warum liebst du es so, wenn alles wieder aus deinem Bauch hinauskommt?
      Warum denkst du, du musst dich als Frau ausrotten und es ist gut so, dass du brichst?

      Autismus und ADS haben nichts damit zu tun, ob man/frau still ist oder laut. Ich war auch immer eine Träumerle.

      Ich nehme es dir sehr übel, dass du brichst und scheinbar nicht gesund werden willst. Du bist viel zu wertvoll, um dich selbst zu zerstören, also muss ich Chaosprinzessin leidet zwingen, die Käsestinkebreche aufzugeben.

      Also meine liebe Frau:

      Nie wieder Käsestinkebreche!!

      In größter Luebe

      Gesunde, lebenwollende Frau

      PS: Warum lieben es Frauen so sehr zu kotzen, und warum machen das nicht endlich mal Männer, die das häufig viel eher verdient hätten X( (meine die Frage ernst)

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      • Hallo Kristin,

        Das liest sich ähnlich wie bei mir..
        Bei uns kam auch die Diagnose meines älteren Sohnes zuerst und mir fiel es wahnsinnig schwer diesen Stempel (wie es mir zuerst vorkam) zu akzeptieren. Mittlerweile und vor allem Dank einer Erziehungsberatungsstelle, welche uns die positiven charakterlichen Eigenschaften von Menschen mit ADHS nähergebracht hat, und Dank eines Artikels von einer Biologin, welche Überlegungen bezüglich des evolutionsbiologischen Sinns dieser “Problematik” analysiert und (stark verkürzt) zum Schluss erklärt, dass ADHS in einem gewissen Prozentsatz sinnvoll für die Entwicklung von Gesellschaften sein muss, da es sonst schon längst “ausgestorben” wäre, konnte ich dieses Syndrom endlich akzeptieren und habe mich (auch auf das unabhängige Anraten meines Psychologen und der Psychologin meines Sohnes) testen lassen und werde jetzt mich auch auf die Therapie einlassen. Mein Hauptmotiv am Anfang war, dass ich nicht wollte, dass mein Großer das schwarze Schaf der Familie ist, aber je mehr ich mich mit diesem Thema beschäftige desto mehr spüre ich, dass dieses Thema sehr sehr viele Menschen betrifft und der Redebedarf sehr groß ist und auch sehr stark zwischenmenschlich verbinden kann. Ich bereue nicht mich darauf eingelassen zu haben und dafür geöffnet zu haben, ich habe mehr Gefühl mich zu kennen und zu verstehen, seit ich ADHS ganzheitlich betrachte. Auch viele meiner eigenen Probleme kann ich jetzt besser verstehen (mein Chaos, meine Impulsivität, meine Emotionalität) und sehe mich jetzt nicht mehr in gut (kreativ, empathisch etc) und schlecht (s.o.), sondern irgendwie mehr einfach als ein Mensch, der eben eine besondere Wahrnehmung hat und häufig mehr auf sich achten muss, ohne dass das abwertend gemeint ist.
        Ich hoffe dass du deinen Weg findest und wünsche dir von Herzen alles Gute!

    • Hallo ich bin Amerikanerin-kann zwar Deutsch gut sprechen aber das schreiben schlecht.
      I’ll try to keep this short and to the point.
      ZI Mannheim tried to diagnose me with Borderline as well, although I’ve been receiving treatment for ADS in the U.S. since 2002. It seems that that physicians in Germany have either a particularly hard time, or are reluctant to diagnosing ADS in women.
      I also have a tendency to emotionally binge eat, especially at night, or drink alcohol. Both are harmful obviously. You’re not alone!

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  • Käthchen

    Helga Simchen geht in ihrem Buch auf die Zusammenhänge zwischen Anorexia nervosa und AD(H)S ein: http://www.amazon.de/dp/3170208489/ref=wl_it_dp_o_pC_S_ttl?_encoding=UTF8&colid=2ZJJIX2XM7KPR&coliid=I2PL7S89MK35O2

    Bei mir wurde 1999 eine Anorexia nervosa diagnostiziert, die bis heute besteht. Im Jahr 2011 bekam ich eine Asperger-Diagnose der Uniklinik Freiburg. Anhand der Fragebögen über die Kindheit, welche ich im Voraus ausfüllen musste, teilte man mir im Diagnoseschreiben mit, dass “deutliche Hinweise auf eine ADHS in der Kindheit” vorliegen.
    Attwood und Gillberg vermuten schon lange einen Zusammenhang zwischen Anorexia und Asperger. Ich bin mir darüber nicht sicher, aber mich interessiert es, denn viele Eigenheiten im Verhalten und der Persönlichkeit sind ähnlich, allerdings legen sich bestimmte Eigenheiten bei Anorexia nervosa-Patienten (ohne AS) nach Genesung und Erreichen eines gesunden Körpergewichtes wieder. Lässt man diesen Fakt außer Acht, kann man natürlich sehr leicht von einem Zusammenhang sprechen.

    Antwort
    • Hallo Käthchen,

      Ich habe auch AS und kann dir versichern, dass du es auch mit AS schaffen kannst! Bitte arbeite daran, deine ES zu überwinden, du bist viel zu wertvoll, um dich zu Tode zu hungern!! Und ich weiß von anderen Autistinnen, dass es sehr wohl(!) möglich ist, die Symptomatik von ES zu bändigen und schließlich zu überwinden.

      Wichtig ist, dass du zu deinem AS/ggf. ADS stehst und auch die positiven Eigenschaften sehen kannst!

      Würde dir gerne aus v der Anorexie, die du wirklich unbedingt(!!) loswerden musst, raushelfen. Würde mich sehr über eine Email von dir freuen!!

      LG
      Katharina

      Antwort
  • Unsinnstifter

    Ich denke derweil über die Verbindungen zwischen Asperger Autismus und ADHS nach und stolpere über die These, das Autismus (dementsprechend Asperger auch?) durch Clostridien bzw. Propionsäure ausgelöst werden könnte.

    Da es ja offensichtlich auch einen vielschichtigen Einfluss auf diverse Ernährungsverhaltenscharakteristika bei ADHSlern gibt, möchte ich fragen ob Ihnen dazu nicht Informationen bekannt sind?

    Die eigentliche heute anerkannte Ursachenthese geht bei ADHS auch von einer Neurotoxinwirkung aus, allerdings in anderer Gestalt (Nikotin, Blei), übereinstimmend ist bei beiden Störungsbildern eine überwiegende genetische Prävalenz, die die Sensivität auf die Toxine bei den meisten Betroffenen erklärt.

    Könnte hier bei magersüchtigen ADHSlern der Nahrungsverzicht / das Fasten einen positiven Effekt auslösen, durch Wirkung auf die Darmflora? Umgekehrt auch bei denen vom Überessertyp?

    Haben Sie dazu Informationen? Wie sind Ihre Beobachtungen/Überlegungen?

    Antwort
    • Nein. Einen solchen Zusammenhang habe ich bisher noch nicht erlebt bzw. gehört. Zwar gibt es möglicherweise ja viele Faktoren, die eine ADHS-ähnliche Symptomatik hervorrufen. Beispielsweise werden neuerdings auch immunologische Faktoren wie Antikörper gegen Purkinje-Zellen im Kleinhirn mit ADHS im Zusammenhang mit ADHS gesehen.

      Auch PANDAS (Streptokokken assoziierte Infektionen bzw. Antikörper) wurden ja im Zusammenhang mit Zwängen bzw. Tic-Störungen schon in die Nähe von ADHS gebracht.

      Ernährung bzw. andere Infektionen haben aber wohl keinen nennenswerten Einfluss. Das gilt wohl auch bei Autismus. Soweit ich weiss, sind zwar die Titer der Antikörper erhöht. Aber ein ursächlicher Zusammenhang besteht nicht sicher oder allenfalls in Ausnahmefällen.

      Antwort
      • ich habe ADS und hatte immer probleme mit binge-eating. ich bin 25ig männlich.
        seit dem ich jeden abend jeweils 2x 20mg Elvanse nehme, kann ich mein Gewicht endlich kontrollieren und senken.
        An einem normalen Arbeitstag esse ich nur mittags, dafür so viel und noch so ungesund wie ich möchte, am abend um 17:15 und 19:00 nehme ich jeweils 20mg Elvanse und ich habe kein hunger und kann so auf nachtessen locker verzichten und auch nachts bekomme ich keinen hunger!
        Also somit habe ich nur eine hungerphase morgens bis mittags, was an einem arbeitstag gut aushaltbar ist.
        Habe in 2 Monaten gute 10 kg verloren und fühle viel wacher und glücklicher.
        Am Wochende esse ich automatisch mehr, auch 2 mahlzeiten pro tag sind möglich trotz elvanse. Jedoch mit dem erfolgsgefühl von der woche montag bis freitag, schaffe ich es meistens auch, nur so viel zu essen, dass ich nicht zunehme.
        Jedoch abnehmen geht bei mir nur, wenn ich 5 tage in der woche das abendessen auslasse (gut machbar mit elvanse)

  • >>Piero Rossi hatte ja ADHS bzw. ADS als “Krankheit der negativen Gefühle” beschrieben <<

    das würde ich sehr gerne nochmal nachlesen- wo kann ich das?
    Finde dazu hier im Blog nichts (was aber an mir liegen kann…;) )
    Danke für evtl Angaben

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  • Darf ich dich bitten mal noch das PCO in deinen Fokus aufzunehmen?

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    • Das PCO bei Essstörungen eine Rolle spielt ist klar.
      Geht es Dir um den Zusammenhang PCO und ADHS ?

      Antwort

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