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ADHS-Ambulanz Medikamenteneinstellung bei Erwachsenen

Eine amerikanische Studie berichtet über eine ambulante Klinik bzw. ADHS-Ambulanz für Erwachsene , die die Neueinstellung und Dosierung von ADHS-Medikamenten bei Erwachsenen über Pharmazeuten organisiert.

Man wird ja mal träumen dürfen. U.a. von einer leitliniengerechten und ausreichenden medizinischen Behandlung für Kinder-, Jugendlichen und Erwachsenen mit ADHS bzw. Spektrum-Störungen. Und gerade im Erwachsenenalter besteht eigentlich Übereinstimmung darüber, dass die Pharmakotherapie der Goldstandard der ADHS-Behandlung ist. Idealerweise halt mit einer guten Aufklärung und Begleitung durch Fachleute.

ADHS-Medikamente sinnvoll einsetzen


Nur : Die praktische Umsetzung dieser Behandlung gestaltet sich für die meisten Betroffenen schlicht und ergreifend noch als eine scheinbar unüberwindbare Hürde. Selbst wenn die Diagnose in einer ADHS-Ambulanz oder Klinik gestellt wurde, findet man viel zu selten dann Ärzte, die sich dann wirklich mit der praktischen Durchführung, geeignete Auswahl der Medikamente, Dosierung und sonstigen Fragen auskennen oder beschäftigen. Und für einen Psychiater oder ggf. spezialisierten Hausarzt ist es häufig schlicht nicht kostendeckend, dies anzubieten.

Letztlich bleiben viele Betroffene also dann auf sich allein gestellt, was nicht gerade zu einer wirksamen Einstellung und schon gar nicht zur Adhärenz = dauerhafte Einnahme und Befolgen von Arztempfehlungen beiträgt.

Nun bin ich auf einen Artikel aus den USA gestossen, der sich mit einer Ambulanz für die Regelversorgung von Erwachsenen mit ADHS beschäftigt, die dann aber auch ausreichend (telefonisch) in der Einstellungsphase begleitet werden.

Nach der allgemeinmedizinischen Untersuchung bzw. Zuweisung und einer Diagnosestellung erfolgte offenbar durch Pharmazeuten eine ambulante Betreuung in der Einstellungsphase, die die Qualität der Behandlung deutlich verbesserte und noch dazu erhebliche Summen Geld sparte.



Ein- und Ausschlußkriterien der Studie bzw. der ADHS-Ambulanz für Erwachsene

Ein- und Ausschlußkriterien für die ADHS-Medikation

Der Patient traf dann mit dem Pharmazeuten über Telefontermine alle 2-3 Wochen zur Erarbeitung und Anpassung eines individuellen Titrationsplans. Während der telefonischen Termine beriet der Apotheker die Patienten wie sie ihre Medikamente einnehmen sollten, die Dosierung angepasst werden sollte oder ggf ein Medikamentenwechsel erfolgen müsste oder bei Bedarf die Medikation gewechselt. Die telefonischen Nachsorgetermine wurden je nach Bedarf fortgesetzt, bis der
Patient stabilisiert wurde und seine Behandlungsziele erreicht wurden.
Stabilisierung wurde definiert als vollständige oder teilweise Reduktion der primären Symptome mit minimalen unerwünschten Nebenwirkungen

Grundideen zur Pharmakotherapie bei Erwachsenen mit ADHS

Die Studie wurde zwischen 2015 und 2019 umgesetzt. Aus deutscher Sicht vielleicht überraschend ist dabei, dass primär kurz wirkende Psychostimulanzien eingesetzt wurden. Gemäß der Grundidee “low and slow” wurden also möglichst wenig bzw. niedrig dosierte Medikamenteneinsätze und letztlich auch wenige Wechsel bzw. Einnahmen angestrebt. In Deutschland sind ja leider kurz wirkende Stimulanzien (also kurz wirkendes Methylphenidat oder gar kurz wirkende Amphetamine wie Dextroamphetamin (Attentin®) leider nicht über die gesetzlichen KK zu verordnen).

Die Auswahl der dann letztlich eingesetzten Präparate ist daher zunächst für uns überraschend : 62 Prozent der Probanden wurden mit kurz wirkenden Stimulanzien, 36 % mit länger-wirkenden Psychostimulanzien und 2 Prozent mit Nicht-Stimulanzien wie Guanfacin oder Atomoxetin eingestellt.

Weniger ist oft mehr… Niedrige Stimulanziendosierungen bei Erwachsenen

Die gewählte Tagesdosis der Stimulanzien war dann relativ gleich, obwohl sich ja eigentlich zwischen Methylphenidat und Amphetaminen laut Literatur doch Dosierungsunterschiede ergeben sollten. Aber im Schnitt lag die Dosierung jeweils unter 40 mg pro Tag


kurz wirkendendem Methylphenidat 38,5 mg
Retard-Präparate Methylphenidat 35 mg
Dextroamphetamin kurzwirkend 38,3 mg
Dextroamphetamin länger wirkend 35 g
Mix-Amphetamine (Adderall) kurz 34,3
Mix-Amphetamin lang 34,7

Letztlich bewährte sich der Ansatz eines solchen Medikamenten-Managements sehr. So wurde eine hohe Zufriedenheit und auch letztlich geringere Medikamentenkosten erzielt (es wurden über 700000 Dollar in 5 Jahren in der Versorgung letztlich eingespart).

Kommentar :

Ich fände es mehr als wünschenswert, wenn auch in Deutschland gezielt die leitliniengerechte Diagnostik und Behandlung von Erwachsenen mit ADHS tatsächlich umgesetzt werden könnte und dann auch eine entsprechende Aufklärung bzw. Beratung auf Augenhöhe mit den Patienten, gezielte Auswahl und Dosierung und ggf. auch Anpassung und Wechsel der Medikamente durch ADHS-Experten erfolgen würde. Das setzt eben mehr als einen Termin einer Praxis / ADHS-Ambulanz voraus. Vielmehr sollten telefonisch oder online-gestützt eben follow-up-Termine mit der ausreichenden Möglichkeit für Rückfragen bzw. Anpassungen der Medikation erfolgen können.

Quelle : Casey, T., Johnson, C., & Love, D. (2020). Adult attention deficit hyperactivity disorder clinic: An interprofessional collaboration. Journal of the American Pharmacists Association. doi:10.1016/j.japh.2020.03.020 

3 Gedanken zu „ADHS-Ambulanz Medikamenteneinstellung bei Erwachsenen

  • Es ist ein organisatorisches Dilemma:

    Je nach Tagesform, ADHS Ausprägung, Plasmaspiegel usw treten innerhalb des Tages Schwankungen auf, welche abgefangen werden müssten.

    Wenn ich beispielsweise um 10 Uhr feststelle / beobachte die bspw 40mg Elvanse heute morgen reichen nicht über den Rest des Tages ( lange Hausaufgaben bei Kindern) könnte gegen 15oo Uhr en kurzwirksames Präparat durchaus helfen damit nicht der Nachmittag gut verläuft und dann nachts „Unruhe“ besteht.

    Manche Insulinabhängigen Diabetiker haben beispielsweise eine Pumpe und geben sich bei Bedarf mit der Pumpe oder einem PEN ( Eigeninjektion in die Bauchfalte) was dazu.

    Analog bräuchten gerade in der Einstellungsphase die Menschen verschiedene ADHS Präparate zur Hause, mit denen sie lernen umzugehen.

    Somit müssten Ärzte bereit sein „Zuviel“ Medikamente zu verschreiben und „auf HAlde“ beim Patienten zu liegen kommen.

    Das führt aber bei den meisten ADHS Medikamenten zu dem Rechtsproblem des Betäubungsmittelgesetzes. ( EIn ADHS Patient könnte dies mit dem Führen eines Nachweisbuches lösen, aber dafür braucht es Disziplin… das nächste Dilemma)

    Vielleicht werden die kurzwirksamen Präparate in die neue S3 Leitlinie ADHS aufgenommen ( Überarbeitung von 2018 ist ja bald fällig oder sogar schon angefangen in den Gremien), dann gibt es vielleicht zumindest Kostenübernahme durch die Kassen.

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  • Pingback: ADHS-Ambulanz Medikamenteneinstellung bei Erwachsenen - ADHD

  • Christine Bartholomäi

    Ich stimme voll und ganz zu. Seit einiger Zeit habe ich die Dosis reduziert, und komme damit gut klar. Retardiert: 40 mg und 10 mg Kurzzeitpräparat als 1. Dosis zum Wachwerden. Ich finde es sehr traurig, dass ich das unretardierte MPH immer bezahlen muss, ist ein Problem bei geringem Einkommen.
    Es gibt in Deutschland so wenige Fachleute, die sich bei der ADHS-Medikation auskennen und echte Hilfestellung und Beratung durchführen. Die richtige Einstellung ist das A und O. Der Körper verändert sich ja auch mit zunehmendem Alter., man braucht als Betroffene immer einen Ansprechpartner zur Seite..

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