Neurodiversivität?
Danke Martin für die Hinweise auf die Website Inside Perspectives und zur Neurodiversivität.
So interessant der Begriff der Neurodiversivität auch klingt und so treffend die Schilderungen und Beschreibungen der verschiedenen “Störungsbilder” auch sein mögen, so ganz wohl ist mir beim Konzept der Neurodiversivität nicht.
Wenn ich es richtig verstanden habe (was nicht sicher ist), geht es bei dem Anspruch auf Neurodiversivität darum, zum Ausdruck zu bringen, dass es sich bei den vielen Persönlichkeitsmerkmalen und -eigenschaften von Menschen mit autistischen Auffälligkeiten letztendlich nicht um Kennzeichen und Merkmale einer Krankheit, sondern um Variationen des Normalen handelt. Auch im Zusammenhang mit der ADHD trifft man des Öftern auf den Begriff der Neurodiversivität. Die Vielfalt an Ausprägungsgraden neurologischer Unterschiede zwischen den Menschen, eben die Neurodiversivität, entspricht – wenn ich es richtig verstanden habe – einem Aspekt der übergeordneten und ja sowieso schützenswerten Biodiversivität. So weit so gut.
Die Darstellung aller “Verästelungen” und Artikulierung der so verschiedenen menschlichen Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen rehabilitiert zweifellos Nerds, Menschen mit akzentuierten Charakter- und Persönlichkeitszügen sowie all jene mit speziell entwickelten Wahrnehmungssystemen.
Was bei dieser Diversifizierung aber irgendwie verloren geht, scheint mir der Blick auf das allen Menschen Gemeinsame zu sein: Elementare humanistische Grundwerte wie Gemeinschaftssinn, Solidarität, Redlichkeit, Zuverlässigkeit, Treue und viele andere Merkmale, welche ein funktionierendes Miteinander ausmachen, geraten ob all der postmodernen Diversivität immer mehr aus dem Blick. Dabei ist es doch eben dieses moralische Gut, welches umgesetzt in letzter Konsequenz gewährleistet, dass wir eine Seins- und Artenvielfalt haben und Minderheiten schützen können.
Übrigens: Das Gegenteil von Diversifikation (im Sinne von Auffächern, Vielfalt, Spezialisierung) ist nichts anderes als die Konzentration. Ich halte für das Letztere: Konzentrieren wir uns doch lieber auf das Gemeinsame und weniger auf das die Menschen Trennende.
Ach ja, da gibt’s auch noch den Begriff der Psychodiversivität …
Ist das Leben schon zerstückelt genug?