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Neuropsychologische Tests für die Diagnostik bei ADHS II

Es muss wahrscheinlich einmal mehr klar gestellt werden, dass keine neuropsychologischen Tests (oder Testreihen) existieren, welche eine zuverlässige ADHS-Diagnose (oder einen Ausschluss derselben) ermöglichen. Das wird es möglicherweise gar nie geben.

Hauptgrund ist der Umstand, dass diese Tests für viele ADHS-Betroffene schlicht zu interessant sind. Alles was neu, irgendwie “speziell”, interessant oder schwierig ist, lässt das ADHS-Hirn aufwachen und für eine (kurze) Weile normal ticken. Das kann und wird nie und nimmer zu zuverlässigen und wiederholbaren Testresultaten führen.

Wer “ADHS-Tests” verkauft und vorgibt, damit eine ADHS-spezifische Aufmerksamkeitsstörung und eine ADHS-spezifische Impulsivität erfassen zu können, verspricht etwas, was er nicht einlösen kann.

Eine neuropsychologische Untersuchung bei Verdacht auf ADHS verfolgt nicht das Ziel, “objektive” Beweise für das Vorliegen dieser Störung zu ermitteln. Dazu bietet der Alltag der Betroffenen und ihre Entwicklungsgeschichte wahrlich mehr als genug Belege.

Bei der neuropsychologischen Untersuchung geht es primär um etwas anderes. Nämlich um a) die Differenzialdiagnosen (was sonst könnte die Ursache der Impulsivität und der Konzentrationsprobleme sein?) und b) das Erfassen von therapierelevanten Komorbiditäten.

Das DSM-IV verlangt im Punkt E zwingend die Berücksichtigung von sogenannten Differenzialdiagnosen. Gemeint ist damit das konsequente Beachten von möglichen anderen Ursachen einer Krankheit, welche zu einem der ADHS ähnlichen Beschwerdebild führen könnten. Dazu zählen bei der ADHS nicht nur psychopathologische und neurologische Erkrankungen, sondern selbstverständlich auch Folgen von anderweitig verursachten zerebralen Funktionsstörungen.

Hier – zwar uralt, aber dennoch über weite Passagen noch  gültig – ein Vortragsmanuskript von 2003 mit dem Titel: (K)ein Fall von ADHS (PDF). Und wenn wir schon beim Thema sind, hier noch ein weiterer Artikel von 2008, in welchem Schritt für Schritt besprochen wird, wie eine zeitgemässe ADHS-Diagnostik ablaufen kann: Zur Diagnostik der ADHS (PDF).

3 Gedanken zu „Neuropsychologische Tests für die Diagnostik bei ADHS II

  • Ich bin männlich, Ingenieur, 48. Meine Selbst-(und Fremd-)Beschreibungen entsprechen (vor MPH) wirklich absolut “klassisch” einer ADHS-Person mit Beginn in der Kindheit. Vor 5 Mon. wurde in NRW u.a. mittels dieser PC-Aufmerksamkeitstest bei mir ADHS diagnostiziert( Mischtyp, ich weiss, unpräziser Ausdruck). Der Witz ist, dass diese Tests in der Tat von mir als “superinteressant” empfunden wurden, ich unheimlich motiviert war, den PC zu “überlisten”, aber trotzdem schlecht abschnitt. Auch die jeweilige “Versuchsgröße” des jeweiligen Tests und das jeweilige unterschiedliche Ergebnis korrelieren exakt mit meinen jahrelangen eigenen Selbstbeobachtungen, in bestimmten Bereichen grottenschlecht zu sein, in anderen “typischen” Bereichen deutlich besser usw.

    Zwei weitere Psychiater innerhalb der letzten 5 Jahre, die ich vorher aus Unkenntnis von ADHS wegen meiner Symptome aufsuchte, schlossen andere PS weitgehend aus. Verschrieben wurden AD’s, die blieben bei mir wirkungslos; ähnlich einer Aspirin, wenn man keine Kopfschmerzen hat.

    Ok. Nehme hohe Dosis MPH retard, habe seitdem Probleme, die Wirkung, die Nebenwirkungen, die Erwartungshaltungen, einen Placebo oder normale Alltagseinflüsse von der “eigentlichen” Verbesserung unter MPH zu trennen. Manchmal spüre ich “den Schalter”, oft spüre ich die Wirkung nur retrospektiv; oft spüre ich Wirkungen, die Hochdosierung zugeschrieben werden, oft welche, die der Wirkung auf Nicht-ADSler entsprechen. Ok, verkompliziere es selbst mit unregelmäßiger Einnahme oder Nichtessen. Wie eine Versuchsreihe mit zu viel Parametern. Lange Rede, kurzer Sinn – ich werde das Gefühl nicht los, trotz Diagnose kein ADHS zu haben, den falschen Weg zu gehen.

    Blöde Frage, ja, aber mittlerweile immens wichtige Frage für mich : wie finde ich es heraus, wenn auch diese PC-Tests keine anständige Versuchsanordnung ergeben?

    Antwort
  • Hallo Herr Rossi,
    vielen Dank für diesen tollen Artikel. Ich habe bereits von vielen “ADHS Tests” gehört und ich habe ständig deren Funktionalität/Wirksamkeit in Frage gestellt. Aber generell auch eher negative Erfahrungen damit verbunden. Gut, dass Sie das jetzt aufklären :).
    Danke, dass Sie Licht ins Dunkele gebracht haben :).

    Beste Grüße und ein besinnliches Fest an alle

    Ute

    Antwort

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