ADHS – Hirnentwicklung in Bildgebung nachweisbar?
Am Freitag gegen 19 Uhr kam ein über 40 jähriger Patient in unsere Klinik, der eigentlich schon am Donnerstag vormittag anreisen sollte. Er wirkte auf die Schwestern bzw. die aufnehmende Ärztin wie ein steckengebliebener Teenager.
Er war in seiner ganzen emotionalen Entwicklung, aber auch vom Aussehen deutlich jünger, als es dem Personalausweis entspricht. Eigentlich ja auch ganz schön, aber in seiner Biographie bzw. persönlichen Entwicklung fehlten offenbar auch ganz entscheidende Entwicklungsschritte zum Erwachsenwerden.
Thema der ADHS-Gruppe gestern war dann auch die neurobiologisch bedingte Entwicklungsverzögerung der Hirnentwicklung bzw. von neuronalen Netzen.
Leider einen Tag zu spät habe ich passend dazu einen Artikel in den Pressenachrichten gefunden, die in der funktionalen Bildgebung (fNMR) versuchen, diese Entwicklungsverzögerung / Reifeentwicklungsabweichung in bestimmten neuronalen Netzen auch bildgebend nachzuweisen. Sie nutzen dabei eine spezielle Technik der Darstellung, die sie “connectomic” nennen. Im Wesentlichen werden dabei Verbindungen zwischen Nervenzellen / den neuronalen Netzwerken im Gehirn dargestellt. Also mehr oder weniger “Ameisenstrassen im Gehirn”, die immer wieder bzw besonders häufig aktiviert und damit genutzt werden.
Aufmerksame Leser des Blogs werden wissen, dass ich mich (aus gutem Grund) besonders für das sog. Default Mode Network (DMN) interessiere. Das ist so eine Art “Leerlauf-Modus” bzw. Ruhemodus im Gehirn. Aber eben doch sehr wichtig, für die Verarbeitung und das Sortieren und Löschen von unnützen Informationen.
Dieses mehr oder weniger auf innere Verarbeitung ausgerichtete Netzwerk hat dann Verbindungen zu zwei für Außennreize wichtige Netzwerke im frontoparietalen Bereich bzw. im Ventralen Aufmerksamkeitsnetzwerk.
In der Bildgebung können nun besonders in diesen Bereichen gegenüber neurotypischen Kindern (“Stinos”) Entwicklungsverzögerungen bzw. Abweichungen nachgewiesen werden.
Das sind erstmal statistische Aussagen über eine größere Gruppe von Kindern. Die Forscher hoffen, dann irgendwann auch Aussagen auf den Einzelfall machen zu können.
Da bin ich noch skeptisch, ob das nun sinnig und/oder überhaupt möglich ist.
Wichtig erscheint mir aber eben, dass man möglicherweise dann doch Aussagen machen kann, bei welchen Jugendlichen bzw. Erwachsenen sich diese Entwicklungsverzögerungen zu einer Entwicklungsbehinderung oder einem Entwicklungsstillstand entwickelt. Sprich: Wer eben diese zeitliche Verzögerung gar nicht mehr aufholt und neuronal gesehen auf dem Stand eines Kindes oder Jugendlichen verharrt.
Das wäre durchaus eine relevante Aussage auch für das Ansprechen auf verschiedene Therapiemethoden.
Mehr zur Studie u.a. hier.