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ADHS Kompetenzen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Eine meiner Lieblingsexpertinnen in Sachen ADHS bei Erwachsenen ist Patrica Quinn. Sinngemäss hat sie zum Thema Selbstständigkeit bzw. Alltagskompetenzen über Studenten bzw. Auszubildende aus dem ADHS-Spektrum Anforderungen zur Alltagstauglichkeit hinsichtlich Ordnung bzw. Haushalt, Ausbildung bzw. Lernen und Studieren und letztlich auch Selbstmanagement definiert.

Dabei geht es nicht unbedingt darum, dass man die folgenden Fähigkeiten schon hat, man muss sich nur ggf. über Hilfsmittel oder verfügbare Unterstützung zu helfen wissen.

1. Jeden Morgen selbstständig Aufwachen und Aufstehen

2. In der Lage sein sich um die eigene Wäsche zu kümmern

3. Sollte das eigene Zimmer bewohnbar halten und auf seine Sachen wie Handy, Computer etc. selber aufpassen können

4. Selbstständig die notwendigen Medikamente zuverlässig einnehmen

5. Sich um regelmässigen Sport und eine ausgewogene Ernährung kümmern

6. In der Lage sein, mit Geld umzugehen

7. Ein Gleichgewicht zwischen Pflichten und Vergnügen bzw. Freizeitaktivitäten halten können

8. Einen Lern- bzw. Studienplan erstellen und einhalten können, so dass Prüfungen und andere Fristen machbar bleiben

9. Eigene Hausaufgaben bzw. Mappen und Prüfungsleistungen bzw. die dazu notwendigen Schritte der Ideenfindung und -organisation, Schreiben und Korrekturen erledigen

10. Sich auch an Aufgaben und Pflichten setzen, die für ihn oder sie eben gerade nicht mit totaler Begeisterung zu leisten sind.

11. In der Lage sein, klar und verständlich eigene Stärken und Unterstützungsbedarf Lehrern oder Ausbildern bzw. anderen Personen erklären zu können

12. Sich um Hilfe und Unterstützung bemühen und eigene Schwächen zugeben, wenn etwas nicht verstanden oder gekonnt wurde.

13. Unterstützung bzw. Coaching / Therapie und Nachteilsausgleich finden und annehmen.

Welche Kompetenzen fehlen noch ?

Hier finde ich die Idee von Tokol eV. sehr sinnvoll, in einem 14 tägigem Workshop nicht nur graue Theorie zu ADHS bzw. Therapie zu vermitteln, sondern ein alltagsrelevantes Kompetenztraining für Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 28 anzubieten. Zumindest bei einem der beiden Workshops bin ich wohl teilweise dabei (wenn es die Ferienzeiten ermöglichen).In der Ankündigung für die Workshops vom 3.10- 17.10 und ab dem 17.10-31.10.2015  heisst es u.a.

„Vom Bewerbungstraining, bis zur Selbststrukturierung, über Kochkurse, Reparaturen im Haushalt, Haushaltsführung, Umgang mit Geld, Behördengänge und vieles mehr, sollen die Kids angewandte Hilfe erfahren und in Kursen und Workshops Hilfe zur Selbsthilfe erlernen. Das Ganze wird natürlich wie immer mit Aufklärung über unsere Themen ergänzt, so dass Themen wie Psychoedukation, Medikamente, Therapie und Lebenshilfe mit auf dem Plan stehen. „

 

5 Gedanken zu „ADHS Kompetenzen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen

  • Küstennebel

    Ist doch alles surreal. Das ist die Auflistung der Probleme.

    Ab sofort wenn man zugetextet wurde zwei Wochen soll man das im Griff haben. Sorry wenn ich darüber eine Runde lachen gehe.

    Die Wunschabschaffung von ADHS durch Schulung. Typisch aus dem Pädagogik-Bereich oder Verhaltenstherapie.

    Am Ende klingt das für mich wie ein Ausschlusskriterium-Katalog für diejenigen, die es so nicht schaffen.

    Wobei mir einfällt das das ja so eine Art Internats-Schulen sind in den USA oder? Dann kanns durch den äußeren Zwang ja vielleicht noch klappen.

    Das Oberlehrerhafte empfinde ich schon das Gerede über „ausgewogene Ernährung“. Iss kla…

    Generationen von deutschen Studenten, die sich mit Bafög durchbringen mussten, lachen sich vermutlich kringelig wie sie zwischen jugenddynamischem Partygeist, Lernpflichten, Vorlesungen und Arbeiten noch „ausgewogene Ernährung“ praktizieren sollten 😀
    Zumal Ausgewogenheit schwierig zu definieren ist weil alle etwas anderes darunter verstehen.

    Ausgewogen muss man sich leisten können. Keine Ahnung wie das in den USA an solchen Schulen läuft, aber das ist einfach weltfremde Scheiße von kochenden Mittelstandsmutties, die mit der Realität nicht viel zu tun haben. Ernährungsgesülze macht diese Mittelstandsmutties halt wichtig(er). Dafür machen die Trullas hierzulande dann einen DGE Schein und fortan rechnen die jedem vor das er zwei mal Fisch, einmal Fleisch, und Kiloweise Salat und Obst am Tag mampfen soll. Was die Person sich leisten, kann, noch wichtiger: Was die Person gerne mag und gar nicht essen möchte, Ob Fisch Übelkeit verursacht, alles egal – Die böse Tante Ernährungsberaterin hat entschieden!

    Ja, die Frau hat sicher Recht, ist alles toll auf einer Liste zu haben, aber für einen schwierigen ADHSler ist das ein Ausschlußkriterienkatalog und mehr Anklage als hilfreich – Die meisten Probleme kennt er aus der Alltagsanschauung selbst. Es ist entmutigend mit so einer Liste totgeschlagen zu werden. Der ADHSler verzweifelt ja gerade an der Unfähigkeit diese Dinge zu schaffen. Seine kreativen Lösungen und Spezialitäten sind auch nicht in Alternativ-Optionen/Fähigkeiten abgebildet.

    Es gibt diese perfekten Typen, die perfekten Kindchen und Studenten – Aber sie sind halt selten. Meistens wurschteln sich die Leute durch, vor allem wenn sie Probleme kompensieren müssen. Das gilt für NTs wie auch für ADHSler oder sonstwie geschädigte.

    Meine Güte! Kriegt die Frau Geld dafür so eine Liste zu schreiben?

    Die Kohle hätt ich mir auch verdienen können. Einfach die Liste mit den Alltagsproblemen der ADHSler einschicken …

    Antwort
    • Natürlich kann man Deine Kritik verstehen bzw. auch teilen. Auf der anderen Seite ist es so, dass ich dann mehr oder weniger zufällig (unentdeckte bzw. nicht wirklich therapierte) ADHS-Erwachsene bei mir in der Klinik vorfinde, die minimal 5 bis 10 dieser Punkte nicht schaffen oder beispielsweise nun ständig wegen Konflikten mit Vorgesetzten rausfliegen. Sie wählen sich dann noch nicht mal „mich“ bzw. unsere Klinik aus. Sie werden von einem Gutachter der Rentenversicherung geschickt, weil sie eben einem willkürlichen „Normenkatalog“ von beruflichen wie privaten „Tauglichkeitskriterien“ nicht genügen. Häufig auch gar nicht genügen wollen. Dann wird es zum Ausschlußkriterienkatalog, der aber eben nicht in eine Rente, sondern totsicher in Hartz-IV führt….

      Insofern stehe ich oft vor dem Dilemma, dass ich ja die gesellschaftlichen Vorstellungen der Neurotypika als Vergleichsmaßstab ansetzen soll, dies aber eigentlich nicht kann…

      Antwort
  • Eine spannende Auflistung, die natürlich nicht nur für ADHS-Jugendliche gilt.

    Für wäre dabei der wichtigste Aspekt, das die Jungen Menschen verstehen, das es nicht schlimm ist „nicht perfekt zu sein“. Das es viel wichtiger ist sich selber und seine eigenen Stärken und Schwächen zu kennen und sich dort wo Hilfe nötig ist sich diese zu holen.

    Wobei der Zeitraum des Seminars von Tokol für alle Jugendliche die nicht mehr zur Schule gehen eher ungünstig liegt.

    Antwort
    • Ich bin nicht zwingend der Meinung, dass diese Auflistung „gut“ ist, bzw. man diese Erwartungen nun 1:1 auf ADHSler übertragen kann / soll / muss. Es ist aber eher die pragmatische Notwendigkeit bzw. Erwartung eines amerikanischen College, die die Liste bestimmt. Und so ganz anders sind die Anforderungen dann bei uns eben auch nicht.

      Was die Zeitplanung bei Tokol angeht, bin ich „aussen vor“. Ich würde auch nur am ersten Termin teilweise teilnehmen können. Mir geht es eher um die allgmeine Idee : Alltagsrelevante Praxis statt kognitive VT oder gar Psychoanalyse… Also eher so ähnlich wie entsprechende Kurse für Autisten, die eben gerade nicht Autismus wegtherapieren wollen. Sondern ein möglichst eigenbestimmtes Leben in einer Welt von neurotypischen Menschen zu ermöglichen.

      Antwort
  • Hat dies auf Gestaltgnosis rebloggt und kommentierte:
    Wieder einmal ein wichtiger Hinweis zu ADHS und Kompetenzen von Dr. mit Winkler.

    Vor allem der Hinweis auf Nachteilsausgleich, Finden und Annehmen von Hilfen finde ich dabei besonders wichtig. – Toll was sich von seiten der Therapeuten an Angeboten und Projekte dabei ergibt.

    – Doch besonders gilt es Gesellschaftlich entsprechende Angebote und Nachteilsausgleiche „anerkennen zu lassen“ und damit einhergehend den Behinderungsgrad dieser, individuell, bei diesem Störungsbild auftreten kann.

    – Im Bereich der Autismus- Spektrum Störungen, ist hierbei schon einiges erfolgreich gelungen. – Bei AD(H)S besonders im Jugend und Erwachsenenalter hingegen, ist noch ein großer Bedarf an Angebot und Anerkennung nicht gedeckt.

    Dies zumindest nach meinen Wahrnehmungs- und Wissensstand.

    Antwort

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