ADHS – Absicht und Aktion (Fortsetzung) : Impulskontrolle und Scham

Piero Rossi hat sich glücklicherweise mit einer sehr wichtigen Ergänzung zu meinem Beitrag über Absicht und Aktion bei ADHS zu Wort gemeldet. Ich finde seine Antwort zu wichtig, um in den Kommentaren untergehen zu dürfen. Es ist sehr schön, dass Piero genau das anspricht, was ich auch in einer Fortsetzung disktutieren wollte. Nämlich die Problematik der Impulskontrolle (gerade bei so negativer Vorbewertung einer Aufgabe bzw. möglicher negativer Konsequenz) und die innere Scham bzw. Verzweifelung über sein eigenes Tun bzw. Nicht-Tun. Aber lest selber :
Es gibt noch einen weiteren Aspekt zum Thema Absicht und Aktion: Nämlich nicht nur nur die ausbleibende, verzögerte oder unvollständige Aktion nach einer Absicht. Sondern auch das Umgekehrte. Das erscheint mir derart bedeutsam, dass ich hier im Blog wieder einmal zur Feder greife.Tatsächlich ist es so, dass viele ADHS-Betroffene sehr darunter leiden, dass einer Aktion die Absicht fehlt.
Immer wieder kommt es dazu, dass Menschen mit einer ADHS reagieren, ohne es zu wollen. Es rutscht quasi aus ihnen heraus. Das können böse Worte sein. Oder andere impulsive Aktionen. Naheliegend, dass Bezugspersonen, MitarbeiterInnen oder die Chefin entsprechend reagieren.Ich bin schon mehrere Jahre im Ruhestand. Trotzdem kann ich mich an die abgrundtiefe Scham dieser Menschen erinnern, als hätte mir gestern Betroffene davon berichtet.
Besonders verheerend für sie war es, dass ihnen niemand glaubte, dass sie “es nicht wollten”. Auch von betroffenen Kindern erlebte ich immer und immer wieder, wie grausam es für sie war, das niemand sie ernst nahm, wenn sie darauf bestanden, etwas nicht absichtlich gemacht zu haben. Sie erhielten Liebesentzug und Strafen für etwas, was sie so nie wollten. Und was lernen sie daraus: Ich bin grundsätzlich ein schlechter Mensch. Ein Bub mit einer ADHS sagte mir einmal, Gott habe ihm schwarzes Blut gegeben. Nur könne er sich sich sein schlechtes Verhalten erklären.Ja, auch die Fähigkeit, Impulse zu regulieren (und damit auch zu hemmen) war und ist bei den meisten mir bekannten ADHS-Betroffenen massgeblich gestört. Auch diese Fähigkeit zählt zu den sogenannten Exektivfunktionen, welche sich bedingt durch die ADHS nicht altersentsprechend entwickeln.
Die Reaktionen von Mitmenschen auf ungewolltes Verhalten von ADHS-Betroffenen können grausam sein. Kombiniert mit der Scham über das Angerichtete können sie die Seele von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen regelrecht zerfressen. Es ist die Scham und die Irritation über das eigene Verhalten, welche man selbst nicht versteht, welche dann selbst bei Kindern viel zu oft zu depressiven Störungen führen.Glaubt bitte ADHS-Betroffenen, wenn sie darauf beharren, eine Handlung so nicht gewollt zu haben. Oder wenn sie darauf bestehen, echt nicht zu wissen, warum sie dies oder jenes angestellt haben. Und erklärt den Eltern, den Lehrpersonen, PartnerInnen und anderen Involvierten, dass es sich auch bei diesen Verhaltensweisen um Impulskontrollstörungen und damit um Kernsymptome einer ADHS handelt. Und sagt Ihnen, dass ADHS-bedingtes Verhalten ohne Absicht therapeutisch gut behandelt werden kann.