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ADHS und Bildschirmmedien (Teil 14)

„Das ist ja wie bei einer Sucht!“
Es fiel mir an diesem Punkt des Gesprächs nicht mehr schwer, den Eltern von Eric und Jan dazulegen, dass schnelle Computerspiele beziehungsweise die schnellen Feedbacks zu einer verstärkten Freisetzung von Dopamin führen. Dies ist der Grund, warum Kinder mit einer ADHS das so gern machen und warum sie sich beim Gamen so hervorragend gut zu konzentrieren vermögen.

Herr Hoffmann sagte daraufhin spontan: „Das ist ja wie bei einer Sucht!“ Es klingt vielleicht verrückt, aber so falsch ist das gar nicht. Das Ganze führt nämlich dazu, dass diese Kinder sich nur noch dann positiv spüren können, wenn sie in dieser hoch stimulierenden Welt des Computerspiels und des Fernsehers drin sind.

Je mehr sie lernen, sich nur noch dann wohlzufühlen, wenn schnell viele Reize verarbeitet werden müssen, umso langweiliger und entleerter wird der Alltag und umso schwerer fällt es ihnen, wie vorhin schon dargelegt, im realen Leben am Ball dranzubleiben. Übrigens: Eine Untersuchung mit computersüchtigen Patienten ergab, dass sie ähnliche Hirnaktivierungsmuster zeigten wie Kokainkonsumenten.

Das Gehirn, so führte ich eingangs auf, kann nicht „nicht lernen“. Es lernt beim Gamen sehr schnell, dass der Computer, Nintendo-DS oder das Handy das Einzige ist, was im Leben wirklich Spass macht. Schneller kommen Kinder heute nicht an den „Kick“. Dies alles führte bei Eric und Jan, aber auch bei sehr vielen meiner ADHS-Patienten, zu noch schwächeren Schulleistungen und damit zu Frustrationen, was den Hunger nach dem Gamen schliesslich noch mehr in die Höhe trieb. Irgendwo im Leben muss man ja Erfolg haben. Ja, es war ein echter Teufelskreis, in welchen die beiden Buben und ihre Eltern hineingeraten sind. Dass der Konsum von Bildschirmmedien generell motivationsfördernd sein soll – dies wird gelegentlich postuliert – ist also definitiv nicht der Fall. Weder bei Eric und Jan noch bei allen anderen Kindern, die ich in meiner Arbeit kennengelernt habe.

Entzugssymptome
Frau Hoffmann fragte mich dann, wie es denn mit dem TV-Konsum ausschaue. Sie habe nämlich das Gefühl, dass auch da etwas nicht stimme. Müsse sie den Fernseher abstellen – und das passiere immer im Streit, weil die Kinder am liebsten gar nichts mehr anderes machen würden – reagieren Eric und Jan ganz ähnlich, wie in Situationen, in denen sie das Gamen unterbinden müsse. „Das sind wohl die Entzugssymptome!“, warf Herr Hoffmann ein.

Frau Hoffmann wirkte in diesem Gespräch sehr präsent. Über weite Strecken schaute sie mich mit offenem Mund an und nickte immer wieder. Fast so, als würde ich das sagen, was sie schon immer dachte. Ob ich also noch etwas zum Fernsehkonsum sagen könne, wollte sie von mir wissen.

Fortsetzung: Morgen 20:00, gleicher Kanal.

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Ein Gedanke zu „ADHS und Bildschirmmedien (Teil 14)

  • Es ist für mich immer wieder erstaunlich neue Aspekte bei ADHS zu entdecken und zu erinnern. Bei mir ist ADHS 1988-89 entdeckt worden, meine spätere Frau studierte Psychologie. Nach einer Auseinandersetzung mit dem Thema durch eine Studienarbeit kam von mir damals der Kommentar: “so wie du das bei den Kindern beschreibst ist das auch in meinem Kopf“. Ich war 25-26. Damals lehrte man wohl an dieser Uni noch, dass sich das auswächst. Eine Diagnose habe ich erst 2000 machen lassen, hatte mit 25 noch nicht gedacht, dass es so extrem in mein Leben hineinspielt.

    Aber genau jetzt, nach Ihrer Serie über ADHS und Bildschirmmedien fallen mir die frustrierenden Gefühle nach den Sonntagabendfilmen wieder ein. Aus dem „wunderbaren“ wegtauchen bei Raumschiff Enterprise … in die frustrierende und deprimierende Welt mit der Aussicht auf den Frust und die Angst in der Schule. Entzugssymptom ist wirklich eine gute Beschreibung. Wie gut, das es damals nur 3 Programme gab.

    Auch erstaunlich ist, dass ich 1985 schon von zu Hause auszog, um dort den 3 Fernsehern zu entgehen, niemand verstand das damals, ich studierte nur 16 km von zu Hause entfernt. Ich habe bis heute keinen Fernseher.

    Auch auf all meinen Computern habe ich erst mal die vorinstallierten Spiele entfernt, ohne dabei an ADHS zu denken.

    Und um auch einen konstruktiven Aspekt anzusprechen: ich hatte erneut Glück, dass meine Frau eine so wahnsinnig gute Vorleserin war. Erstens habe ich so über die Jahre Einblick in die Literatur bekommen. Zweitens habe ich so erfahren, dass ich doch Abschnitte, Kapitel uns sogar viele ganze Bücher zu Ende lesen konnte. Sie mussten über den „Spannungspunkt“ seine und meine Frau aus Müdigkeit an den spannendsten Stellen einschlafen. Dann habe ich sie nachts manchmal selbst „gefressen“ trotz Lese und Rechtschreibschwäche.
    Für mich war vorlesen und nachher selber Lesen eine echte Alternative zum Fernsehen.

    Ich finde den Blog ganz toll!
    Liebe Grüße

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