ADHS und Bildschirmmedien (Teil 15)
Der gefrorene Blick
Wenn das Gehirn nicht „nicht lernen“ kann, was lernt es dann beim Schauen der TV-Serie „Cobra 11“, was bei „Sponge Bob Schwammkopf“ und was bei den „Simpsons‘?“, fragte ich die Eltern. „Nichts!“, sagte daraufhin Frau Hoffmann, sie habe ja immer schon gesagt, dass der Fernseher den Kindern nicht gut tue. Darauf ich dann wieder: „Doch, doch das Gehirn des Kindes lernt – und wie! Nicht vergessen: Man kann nicht ‚nicht lernen‘! Nur was lernt das Kind?“
Also: Es lernt beispielsweise, sich entspannt und sehr wohl zu fühlen, obwohl es nichts dafür tun muss. Während der TV- oder DVD-Zeit lebt das Kind in einer anderen Welt. Es identifiziert sich mit den Protagonisten, fiebert, freut sich und leidet mit und das alles, ohne dass es dafür auch nur einen einzigen Finger krümmen muss. Das Kind liegt auf dem Sofa, knabbert Chips, bewegt sich kaum und muss sich nichts kreativ ausdenken. Alles wird fixfertig serviert. Selbst beim spannendsten Krimi ist alles vorprogrammiert. Und das selbst dann, wenn uns der Regisseur quasi „auf die falsche Fährte“ schickt und uns scheinbar etwas an Nachdenken abverlangt.
Dass Kinder und Erwachsene den Konsum von TV so entspannend und wohltuend erleben, liegt unter anderem daran, dass der passive TV-Konsum und unser starrer, „gefrorener“ Blick auf die Mattscheibe dazu führen, dass unser Gehirn viele langsame Alphawellen produziert. Man kann sagen, das kognitive und vegetative System wird etwas „heruntergefahren“. Dies erklärt auch, warum man beim Fernsehen weniger Kalorien verbrennt, als beim Nichtstun. Und es erklärt auch, warum die Aufnahme- und Lernfähigkeit vor dem TV deutlich reduziert ist. Ein gedämpftes Hirn kann Informationen nicht aktiv verarbeiten und auch nicht gut im Langzeitgedächtnis abspeichern. Oder wissen Sie noch, was vorgestern das Hauptthema in der Tagesschau war?
Während Herr Hoffmann meistens schweigend zuhörte, lieferte die Mutter viele Beispiele aus dem Familienalltag, welche das von mir Ausgeführte bestätigten. Unter anderem erwähnte sie, dass ihrer Meinung nach auch ihr Mann fernsehsüchtig sei. Eigentlich, so bemerkte sie, drehe sich in ihrer Familie alles nur noch um TV, PC- und Konsolenspiele.
Fortsetzung: Morgen 20:00, gleicher Kanal
Buchtipp: Der gefrorene Blick: Physiologische Wirkungen des Fernsehens und die Entwicklung des Kindes
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Oh, wow. Sie beschreiben wirklich eins zu eins mein Gehirn – und dessen TV-Verlangen. Bei mir ist es definitiv das Fernsehen bzw. vor allem das Fernsehen ‘on demand’ von Serien und Filmen. Ich habe schon länger nach dem Grund gesucht, warum es mir so schwer fällt, den Fernseher mal nicht zum Frühstück “kurz” anzuschalten- ja, man fiebert mit, aber so spannend oder wichtig ist das gesehene, also der Inhalt, nun auch nicht wieder. Eigentlich. Oder? Außer dem eintretenden sich ‘gut fühlen’ ist mir auch der Dämmerzustand des “Sehens” sehr vertraut. In dem einem sehr wenig anderes einfällt, als gegen aufkommende Langweile noch mal weiter Fernzusehen. Es erinnert mich leider auch sehr an mein Verhältnis zu Zucker und Schokolade. Die Freudensprünge meines Gehirns bei beiden Substanzen sind schier unglaublich. Aber, sind beide Teil meiner Ernährung- auch nur ein ‘normalen’ oder sogar ‘sparsamen’ Maßen- werden sie schleichend aber sicher das Ziel einer ziemlichen Sucht. Der “Kick” des Fernsehens macht ganz ähnliches mit mir. Leider funktioniert totale Abstinenz bei mir oft besser als Mäßigung mit Regeln. Selbst wenn ich sie aufstelle und mir sage. Manchmal glaube ich, es gibt bestimmte ‘Kicks’, für die bin ich nicht gemacht.