Serie "Konferenz ADHS"

Konsenserklärung „ADHS – Das Syndrom“: II 1 bis 3 (und Schluss)

Konsenserklärung „ADHS – Das Syndrom“: Punkt II – 1 bis 3

1. Es gibt keinen spezifischen kognitiven, metabolischen, neurologischen oder sonstwie gearteten Marker für eine Krankheit “ADHS”.

2. Jahrzehntelange bildgebende Forschung erbrachte nur unspezifische und inkonsistente Ergebnisse. In keinem Fall wurden klinisch abnormale Gehirne gefunden, von ADHS-spezifischen Abnormalitäten ganz zu schweigen. Selbst wenn solche spezifischen Zusammenhänge feststellbar wären, wäre ADHS damit nicht kausal erklärt (Stichwort Neuroplastizität). Mancherorts gefundene Unregelmäßigkeiten können sogar auf dem Einfluss von zur vorgeblichen Therapie verabreichten Medikamenten beruhen.

3. Die Genforschung zu ADHS erbrachte bisher nur bescheidene, unspezifische und vergleichsweise schwache Zusammenhänge.

(Quelle)

Hatten wir das nicht alles schon? Nichts, aber auch rein gar nichts wurde jemals in der Forschung gefunden, was auch nur annäherungsweise darauf hindeuten könnte, dass es die ADHS tatsächlich gibt. Und zum grossen Glück wurden bisher auch keine “abnormalen Hirne” gefunden.

Im Ernst: Abgesehen davon, dass die ADHS-Forschung mittlerweile nicht grade wenig an den Tag brachte (inkl. der laufenden Erforschung von ADHS-Biomarkern), würden selbst magerste Erkenntnisse zur Genese der ADHS nichts an der Existenz dieses Störungsbildes an sich ändern. Auch Kopfschmerzen sind selbst dann evident, wenn wir deren Ursachen nicht kennen. Bei sehr vielen psychischen Erkrankungen wissen wir bezüglich der Genese übrigens noch sehr viel weniger als bei der ADHS.

Die “Konferenz ADHS” scheint davon auszugehen, dass nur existiert, was kausal erklärt und “bewiesen” werden kann. Da die ADHS nicht bewiesen werden kann, existiert sie auch nicht. Punkt.

Okay, jedem seine Ansicht. Ich halte mich lieber an Handfestes. Schliesslich war die Erde schon rund, lange bevor diese Tatsache bewiesen werden konnte.

So. Mir reichts. Ich breche mein Vorhaben, das ganze Konsensuspapier Punkt für Punkt zu kommentieren an dieser Stelle ab. Da die meisten Statements das gleiche Strickmuster aufweisen (sie laufen allesamt darauf hinaus, dass es die ADHS nicht gibt und nicht geben kann), macht es keinen Sinn, die einzelnen Postulate weiter zu kommentieren.

Ich mag mich durch diesen fundamentalistischen Anti-ADHS-Diskurs auch nicht mehr länger in die Rolle des “ADHS-Verteidigers” drängen lassen.

Überlege mir stattdessen, selbst kritische Postulate zum Konzept der ADHS zusammenzustellen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

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7 Gedanken zu „Konsenserklärung „ADHS – Das Syndrom“: II 1 bis 3 (und Schluss)

  • christianegrossmann

    @ cordula:
    “Eine kleine Korrektur dazu: Befürworter systemischer Therapie suchen nicht nach Gründen für eine Störung im Umfeld eines Kindes. Sie suchen nach Faktoren, die eine Störung möglicherweise aufrecht erhalten oder verstärken bzw. umgekehrt lindern können. Die tatsächliche Ursache für die Störung ist dabei zweitrangig.”

    Stimmt! Das ist zumindest das offizielle Ziel!

    Wir sprechen aber offenbar nicht von derselben Zielgruppe, denn ich meine diejenigen, die zwar Psychoanalyse und systemische Therapie am Türschild stehen haben, aber dennoch mit allen Mitteln die vermeintliche Leiche im Keller finden wollen! Wie sonst ist es zu erklären, dass bei einer Tochter einmal geschlussfogert wurde, dass im Grunde der Urgrossvater an ihren Problemen schuld sei, weil er ein sehr dominanter Patriarch war und meine Tochter damit in einen Konflikt kam. Nebenbei gesagt, hat meine Tochter den Urgrossvater nie kennengelernt, da er schon Jahrzehnte vorher verstorben war und zum Zeitpunkt der Problematik war sie noch zu klein, um sich auch nur annähernd für die Familiengeschichte zu interessieren….
    Oder es wird nach verborgenen, z.T. vorgeburtlichen Traumata gesucht, auch da habe ich nichts dagegen, denn alles ist möglich. Wütend macht mich sowas dann, wenn erwiesenermassen kein Trauma, keine Scheidungsgeschichte, kein Missbrauch, keine Gewalt etc.vorliegen und noch immer eine Erklärung für bestehende Probleme gesucht werden…., da muss manchmal irrsinnigerweise selbst der unbekannte Urgrossvater als Erklärung herhalten, Hauptsache, man hat eine andere Erklärunf als ADHS dafür!

    Und bitte nicht missverstehen: Ich möchte hier sicher nicht diverse Therapeuten und Methoden in einen Topf werfen und verteufeln! Falls das so rübergekommen ist, tut es mir leid, war nicht meine Absicht!

    Ich selbst kenne genügend andere Beispiele, bei denen eine systemische Therapie oder deren Ansätze sehr hilfreich dabei war, konfliktgeladene Familien zu entschärfen!

    Leider ist aber aus der blossen Berufsbezeichnung für den Hilfesuchenden nicht erkennbar, auf wen oder was er sich oftmals einlässt…:( Und das wird dann oft teuer bezahlt mit viel verlorener Zeit und unnützen Therapieversuchen.

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  • @christianegrossmann: Sie schrieben: “Bei ADHS fühlen sich besonders die Psychoanalytiker und Befürworter der systemischen Therapie auf den Schlips getreten, der Mensch wird nur das, zu dem er gemacht wird. Ergo suchen sie die Gründe in der frühen Kindheit und dem Umfeld.”

    Eine kleine Korrektur dazu: Befürworter systemischer Therapie suchen nicht nach Gründen für eine Störung im Umfeld eines Kindes. Sie suchen nach Faktoren, die eine Störung möglicherweise aufrecht erhalten oder verstärken bzw. umgekehrt lindern können. Die tatsächliche Ursache für die Störung ist dabei zweitrangig.

    Ich mache gute Erfahrungen damit, systemische Gesichtspunkte in die Behandlung von ADHSlern mit einzubeziehen. Familie bzw. Partnerschaft kann je nach “Strickmuster” enorm stützenden bzw. lindernden Einfluss haben – oder umgekehrt jemanden erst so richtig reinreißen.

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  • christianegrossmann

    Fast hätte ich es vergessen:

    >In keinem Fall wurden klinisch abnormale Gehirne gefunden,

    Ich finde dies vor allem deshalb interessant, da bisher noch nirgendwo definiert wurde, wie denn ein “klinisch normales” Gehirn aussehen sollte.

    Dieses Statement wift mit Begriffen um sich, die noch nichtmal Fachleute verstehen, denn viele psychische Krankheiten zeigen einfach _andere_ Gehirnmuster, aber sind die deshalb “abnormal”?

    Bisherige Spect-Studien zeigen sehr wohl gemeinsame und Adhs-spezifische Gehirnmuster auf, die anders agieren und reagieren.

    Ob man das in den Bereich “Abnormalität” stecken will, liegt im Auge des Betrachters!

    Sofern man aber fordert, dass eine “Abnormalität” gegeben und erkennbar sein muss, um einer psychischen Beeinträchtigung eines Menschen einen Namen zu geben und als behandlungsbedürftig einzustufen, sollte man erstmal den Beweis dafür erbringen können, was “normal” und was “abnormal” ist.

    Die ADHS-Konferenz bleibt leider bis zum heutigen Tag diesen Beweis schuldig.Diese Beweise fehlen übrigens nicht nur in der ADHS-Diskussion, sondern auch in anderen Diskussionen, in denen es darum geht, wann ist eine psychische Beeinträchtigung eine Krankheit oder ab wann wird es chronisch und ist dann als Krankheit zu verstehen.

    Ein breites Feld, das noch lange für Diskussionen sorgen wird! Die Negation neuer Erkenntnisse und das Festhalten an alten Thesen trägt sicher nicht dazu bei, dass das Problem ADHS besser erkannt wird.Schade!

    Ich persönlich würde mir hier mehr Kooperation, mehr Aufgeschlossenheit zwischen diversen Kreisen wünschen. Aber offenbar zählt das Dogma manchmal mehr, als die Probleme des Patienten.

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  • Ich schließe mich Wrightflyers Frage an. Warum machen sich gebildete Menschen die Mühe ein solches Konsenspapier zu verfassen, das mit sprachlichen Mitteln ihren Überdruss über das Thema ADHS zum Ausdruck bringt, aber kaum sonst etwas? Warum bemühen sich gesundheitspolitische Sprecher verschiedener Couleur um eine Sau auf einer Dorfstraße?
    Sie haben alle eins gemeinsam: Keiner von ihnen thematisiert, wie das Leben eines Kindes ohne MPH aussieht und welchen Effekt die Stunden der Wirkdauer auf die kindliche Entwicklung haben. Es scheint also um anderes zu gehen. Aber um was?

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  • Ich habe schon gestaunt über Ihre Geduld… 😉 Ich denke auch, dass es wenig bringt, Ideologen widerlegen zu wollen.

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  • christianegrossmann

    Das ist wie die Frage nach der Henne und dem Ei.., wer war zuerst da? 🙂 Warum gibt es Menschen, die trotz fortschreitender wissenschaftlicher Erkenntnisse postulieren, dass man Krebs oder sogar Aids nur mit entsprechender Ernährung und Homöopathie, Reiki und andere Wundermittel heilen kann? Und warum gibt es immer noch Menschen, die das tatsächlich auch wider dem gesunden Menschenverstand auch noch glauben?
    Psychische Krankheiten und alles was das Gehirn betrifft jagten dem Menschen schon immer Angst ein, Angst vor dem Unbekannten und Unverständlichen. Schizophreniepatienten z.B. wurden früher als vom Teufel besessen verbrannt, später weggesperrt.

    Bei ADHS fühlen sich besonders die Psychoanalytiker und Befürworter der systemischen Therapie auf den Schlips getreten, —> der Mensch wird nur das, zu dem er gemacht wird.
    Ergo suchen sie die Gründe in der frühen Kindheit und dem Umfeld.

    Manche gehen damit sogar soweit, dass auch bestimmte frühe oder “Ur”-Erlebnisse zu Tumoren führen: der Sitz des Tumors weist auf ein bestimmtes, unbearbeitetes Problem hin. Und ganz nebenbei führt die medikamentös behandelbare psychische Krankheit oder Schwierigkeit natürlich auch bei einer bestimmten Sparte zu einem Umsatzeinbruch…., dagegen muss man sich schliesslich wehren 😉

    Man könnte den Spiess auch umdrehen und belegen, dass mit dem vorhandenen Statement gewisse Kreise geschützt werden sollen. Denn zum Glück gibt es heutzutage doch einige sehr deutliche und international anerkannte Studien mehr zu dem Thema!

    Solange psychische Krankheiten und die allgemeinen Gehirnfunktionen aber noch nicht bis ins letzte Detail erforscht worden sind, wird es immer wieder Leute geben, die sich eher auf Altbekanntes verlassen und sich neuen, wissenschaftlichen Forschungen widersetzen.

    Freud hat zwar sehr wichtige psychologische Marksteine gesetzt, aber das bedeutet ja nicht, dass man für immer und ewig auf diesen, damals noch revolutionären Erkenntnissen auch festkleben muss, oder? Auch die Psychologie darf sich wissenschaftlichen Fortschritt erlauben…:)

    Wie war das mit der Erde?…Dort glaubten die Leute auch erst nach dem wissenschaftlichen unumstösslichen Beweis, dass die Erde tatsächlich rund ist, obwohl sie das schon immer so war….;)

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  • Wrightflyer

    […] Danke für Ihre ganze Mühe. Aber eine wichtige Frage ist dabei auf der Strecke geblieben. WARUM?? ist es gerade bei ADHS so, dass man so oft liest und hört “gibts alles nicht, ist alles ne Erfindung der bösen Pharmaindustrie”. Ich meine: Weder von Depressionen noch von sonstwas hört und liest man so oft, dass alles nur Einbildung/Erfindung/Lüge/Verschwörung wäre.

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