ADHS JugendlicheADHS KinderADHS TherapieAus der ADHS-ForschungKonstruktive ADHS-Kritik

ADHS-Therapien nützen nichts

Eine vor ein paar Tagen im „Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry“ veröffentlichte Sechs-Jahres-Studie (beginnend im Vorschulalter) ergab unter anderem, dass 90% der ADHS-Kinder mit und ohne Therapien auch nach sechs Jahren noch an ernsten ADHS-Problemen litten. Das gelte auch für jene 2/3, welche medikamentös behandelt wurden. Bei Kindern, welche zusätzlich zur ADHS eine oppositionelle Verhaltensstörung aufwiesen, war das Risiko, nach sechs Jahren immer noch an ADHS-Problemen zu leiden, um 30% höher.

Studienleiter Dr. Mark Riddle zieht die Schlussfolgerung, dass es sich bei ADHS um eine chronische Störung handelt. Er fordert, dass langfristig bessere verhaltenstherapeutische und medikamentöse Behandlungen entwickelt werden müssen. Der Grund, warum auch behandelte ADHS-Kinder immer noch an ADHS-Symptomen leiden, war nicht Thema der Studie. Auch wurde nicht geprüft, wie qualifiziert die Therapien erfolgt sind.

Auch wenn ich die Studie und deren Methodik nicht im Detail kenne und daher auch nicht beurteilen kann, wundern mich diese Resultate nicht wirklich. Mögliche Ursachen für die fortbestehenden ADHS-Probleme könnten unter anderem sein:

  • Nicht alle Kinder, die gegen ADHS behandelt wurden, hatten eine ADHS.
  • Therapierelevante komorbide Störungen wurden übersehen.
  • Therapierelevante psychosoziale Belastungsfaktoren wurden nicht berücksichtigt.
  • Die Therapien wurden nicht konsequent genug durchgeführt (dies ergab auch die letzten Auswertung der MTA-Studie).
  • Fehlende Theapieverlaufskontrollen und Absetzversuche.

Dass viele ADHS-Kindern von den Therapien wenig profitieren, ist bedenklich und traurig. Froh bin ich hingegen, dass dies endlich mal auf den Tisch kommt. Immer häufiger denken Fachpersonen und Eltern, dass mit der Pille gegen Zappligkeit und Ablenkbarkeit und „etwas“ Psychotherapie nunmehr alles automatisch gut läuft.

Ich stelle fest, dass immer weniger Eltern bereit sind, all die Mühen, die mit einer Verhaltenstherapie und einer Erziehungsberatung verbunden sind, auf sich zu nehmen. Heute muss alles schnell gehen und es darf nichts kosten. Auch weisen m.E. zahlreiche ärztliche Kollegen zu wenig nachhaltig darauf hin, dass es zur Behandlung einer ADHS nicht nur einer Pille, sondern nahezu immer einer multimodalen Therapie bedarf. Und wenn doch, dann scheitern immer noch zu viele Familien an der bedenklich schlechten Versorgungssituation. ADHS-erfahrene Psychotherapeutinnen und -therapeuten zu finden, kann sich mehr als nur mühsam gestalten.

Es gibt noch viel zu tun.

8 Gedanken zu „ADHS-Therapien nützen nichts

  • Das klingt zunächst einmal nicht besonders positiv. Ich schließe mich aber in diesem Punkt der eher optimistischen Einschätzung von Walter Beerwerth an, der sehr richtig vermerkte: „Es kommt bei der Therapie von ADHS immer wieder vor, dass sich trotz Therapie eine Besserung einstellt.“ Darauf muss man hinarbeiten.

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  • Die Auflistung der Ursachen fortbestehender ADHS Symptome kann ich nur bestätigen. Die Leitliniengemässe Umsetzung einer multimodale ADHS Therapie, habe ich in niedergelassenen Praxen nie erlebt. Eigentlich gibt es nur 2 Modi: 1. medikamentöse Therapie oder 2. Das ADHS Konzept wird in Frage gestellt und Ursachen im psychosozialen gesucht ( und irgendwas findet sich immer…). Eine gute leitlinienkonforme Diagnostik fehlt häufig, Co-morbititäten werden nicht erfragt oder ignoriert, Therapien werden nicht eng genug gemonitort, Patienten über Nebenwirkungen nicht aufgeklärt, eine gute Dosiseinstellung, so wie Medikamentenwahl bleibt Zufall. Wenn sich dann über Jahre in der Praxis keine Besserung einstellt wird man in stationäre Einrichtungen verwiesen. Meist wäre dieser Schritt garnicht nötig, wenn die Handlungsmöglichkeiten in einer Praxis ausgeschöpft würden. Aber die Praxen haben kein echtes Behandlungskonzept, das eigene Personal (Ärzte, Psychotherapeuten, Lerntherapeuten) arbeiten neben-, statt miteinander. Es fehlt an organisatorischen Strukturen, um Patientenberichte innerhalb der Praxis auszutauschen. Jeder notiert sich grunglegende Daten zum Patienten neu und meist auch anders, Daten gehen verloren und wertvolle Zeit wird hierdurch verschwendet. Warum können Patienten im Vorhinein nicht zB ausgefüllte Fragebögen (zu Personendaten, Vortherapien, Medikamentenverträglichkeiten) an die Praxis geben, so dass der Arzt dies schon vor dem Gespräch lesen kann. So wäre er vorbereitet und könnte sich bereits Gedanken um nächste Schritte machen. Dann wäre viel mehr Zeit für das Wesentliche und durch die Vorbereitung eine viel effizienteres Arzt-Patientgespräch möglich. Sicher gibt es da draussen irgendwo Praxen, die auf hohem Niveau laufen, aber dies muss ja wohnortnah gewährleistet sein. Da hilft doch nur die Entwicklung einer Zertifizierung die auch ein erkennbares Qualitätssiegel für Patienten sein könnte.

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    • Na ja, auf dem Kinderpsychiaterkongress zeigte die Arbeitsgruppe von Döpfner, dass sich überraschend viele Therapeuten im Kinderbereich sehr wohl an die Leitlinien halten. Im Erwachsenenbereich ist das schwierig. Schon allein, weil es sehr wenig Anbieter gibt. Aber auch, weil es nicht bezahlt wird.

      Ich würde mich liebend gerne in einer ADHS-Schwerpunktpraxis niederlassen. Aber ich dürfte ENTWEDER Psychiatrie anbieten oder Psychotherapie. Und adäquat bezahlt wird es auch nicht.

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  • Dass ADHS nicht weg geht, ist nichts Neues.
    Die Kids und Eltern lernen bestenfalls, damit umzugrhen, Medis und Therapien unterstützen sie dabei.
    Die Umwelt nicht.
    Das ist bitter.

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  • Pingback: heise online: ADHS-Medikamente wirkungslos ? ADHS Erwachsenen Forum

  • Danke für den interessanten Post. Ich bin erstaunt, dass, wenn ich die Zusammenfassung der Studie richtig verstehe, so vielen Kindern sechs Jahre lang (die gleichen?/gleiche Dosis?) Medikamente verschrieben wurden, auch wenn diese laut Studie keinen Unterschied bezüglich der Symptome gemacht haben..? Ich hoffe, dass es detailliertere Studien geben wird, welche die Ursachen für das Ausbleiben der Wirkung besser erforschen und, dass eine bessere Versorgung der Kinder erreicht werden kann.

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  • papillonindigo

    Es wundert mich auch alles nicht… Nicht, dass es keine wirksame ADS-Therapie gibt, aber mehr, dass es keine Wundermittel gibt und dass trotz allem ADS bestehen bleibt.

    Als ich frisch diagnostisiert war, meinte auch jemand, ich nehme Medis und alles ist gut… Es war nur der Anfang. Jetzt, 5 jahre später, geht es mich zwar besser, ich kann in viele Bereichen mit mein ADS besser umzugehen, aber es gibt immer noch einiges das noch mich Schwierigkeiten bereitet.

    Allein komme ich mit mich klar. Mit der Umfeld ist es eine andere Sache… Ich bin immer noch auf viel Rücksicht und Verständnis angewiesen und es zu bekommen ist auch nicht immer so einfach. Anders gesagt: Alle meine Kompensationstrategien nützen mich nicht mehr, wenn der Umfeld gar nicht mehr stimmt und gar nicht bereit ist auf mich einzugehen. Kindern könnne noch weniger wählen als ich, welche Umfeld sie wollen…

    Dazu habe ich eben nicht nur ADS, aber auch die Folge davon und es gibt auch da zu tun…

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