ADHS & SchuleADHS Kinder

ADHS Väter und Kinder

Am Montag hatten wir wegen der Einschulung unseres „entwicklungsgestörten“ Jüngsten einen Termin bei der Schulleitung der Grundschule, da wir eine sog. Integrationsklasse beantragen wollten. Schwierig, schwierig…
Nun kannte die Schulleiterin aber auch meinen älteren Sohn, der in die 3. Klasse geht. Sie meinte, die Ähnlichkeit mit mir ist nicht zu leugnen. Was sie ausnahmsweise positiv meinte. Ich bin sehr stolz auf meinen Ältesten. Nicht nur äußerlich sehen wir uns ähnlich. Beim flüchtigen Anschauen seiner Diktate und Mathearbeiten sah ich die gleichen Fehler und Stärken, die ich damals auch schon in der 3. Klasse hatte.

Nun haben weder mein Grosser noch ich eine „ADHS-Diagnose“. Er zählt zu den „guten“ Schülern. Was dann wieder einen gewissen „Druck“ hinsichtlich Gymnasialempfehlung bedeutet. Angeblich gibt es da inzwischen „Mindestnoten“, die man erreichen muss. So ein Quatsch ! Ich bzw. wir machen ihm hoffentlich diesen Druck nicht. Aber scheinbar wird das gefordert. Die Klassenarbeiten in der Grundschule ähneln irgendwie Examina, die möglichst „objektiv“ die Leistung abbilden. Und damit die individuelle pädagogische Förderung bzw. den Leistungs- und Förderungsstand der Kids aus den Augen verlieren.

Die Fehler, die er macht sind schlicht Flüchtigkeitsfehler oder aber Verständnisfehler, die aus einer dämlichen Aufgabenstellung der Lehrer resultieren. Die darf ein Kind machen, findet auch seine Lehrerin. Bis sie ihm dann die Fehler anstreicht. Die Kinder lernen da nichts draus. So wie bei mir eben auch die Korrekturen dann häufig neue Flüchtigkeitsfehler enthielten. Nicht weil ich nicht wusste, wie man es schreibt. Sondern, weil ich nicht genau genug eine Kontrolle vorgenommen hatte, weil ich doch WUSSTE wie es geschrieben wird (es aber nicht geschrieben HABE).
Beispielsweise mal üben, wieder zurück zur Aufgabenstellung oder merken, dass man abschweift. Ich habe es damals jedenfalls nicht gemerkt, wenn ich quasi in diesen Flüchtigkeitsfehlermodus wechselte. So wie ich ja auch beim Beiträgeschreiben hier häufiger mal das Thema wechsle…

In einer Klassenarbeit aus mehreren Teilen, die auch noch getrennt bewertet wurden, hat er dann in Rechtschreibung eine noch 2, eine 3 und eine 1. Je schwerer die Worte, desto besser die Leistungen. Er gehört zu den Kindern, die in der 1. und 2. Klasse nach Gehör schreiben sollten. Also Kraud und Rühbben. (Wenn wir hier nicht Chris für die Korrekturen hätten, wäre der Blog wirklich unlesbar, weil ich ja auch dazu neige….).

Ich kenne mich halt in meiner eigenen Erfahrungswelt inzwischen gut aus. Ich beschäftige mich ja schliesslich auch beruflich mit Ablenkbarkeit, Lernstörungen etc. Aber wie geht es anderen ADHS-Vätern ? Die würden doch mehr oder weniger auf „Durchzug“ stellen, wenn nun ihr Kind sich so wie sie selber in der Schule zeigt. Nur vielleicht nicht im oberen Drittel der Klasse, sondern am Ende. Dann wäre aber eine intensive Förderung auch zu Haus angesagt. Wenn man sich dann aber als Vater mit dem Thema beschäftigt, würde unweigerlich eben auch die eigene Schulerfahrung hochkommen. Häufig auch Gefühle von Wut, Scham, Angst. Manchmal berechtigt, häufig aber eben auch unberechtigt, weil halt ADHSler ja wirklich häufiger mal in Fettnäpfchen tappen bzw. Sachen vergessen. So wie vergessene Hausaufgaben. In einem Buch von Ari Tuckman las ich dazu gerade : Das Vergessen der Hausaufgaben oder Arbeitsblätter abzugeben, die man GEMACHT hat, ist für ihn das sicherste Zeichen auf ADHS bei Schülern. Es macht schlicht keinen Sinn, zu Haus mühsam und meist länger als andere Schüler an den Hausis zu sitzen und sie dann zu vergessen…

Mein Ältester soll heute auch ein Schreiben an die Schulleiterin abgeben. Noch im Auto haben wir ihn daran erinnert, aber wenn ich es gewesen wäre, hätte ich es auf dem Weg in die Schule vergessen… Ich nehme noch Wetten an, ob er es besser macht als sein Papa.

6 Gedanken zu „ADHS Väter und Kinder

  • christianegrossmann

    Danke für die Blumen…:)
    Aber so schlimm ist es nicht!
    Euer Problem ist halt, dass ihr oft schneller denkt, als ihr schreiben könnt…, da verbuchstabelt man schon mal die Wechslungen….;)
    Ich rücke das gerne gerade….;)

    LG, Chris

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  • Du kennst ja mein Blog….
    Heute nehme ich mph und merke den Unterschied sehr deutlich. Habe also meine Diagnose und meine Komorbitäten. Und trotzdem hat man nie herausgefunden, dass ich ADS hatte, bis ich über intensivste Suche nach meinen „gefühlten“ Problemen darauf kam.
    Ich habe mehr mit Erwachsenen zu tun, aber die Eltern deiner Patienten sind auch Erwachsene und wie ich las, seid ich euch dessen bewusst, dass auch diese ihren Problembereich haben.
    Die Wirkung eines Medikamentes beurteile ich übrigens daran, dass ich nach Wirkungsende einen Unterschied bemerke.
    Bei mph rate ich jedem sich eine/n Freund/in zu suchen und sich 3 Stunden lang beobachten zu lassen. Jeweils notieren, was alle 20 Minuten passiert, bzw. zu fühlen ist. Oft kann das Gegenüber bedeutend besser beurteilen als der Patient selber.
    Während man das mph in der Dosierung steigert, immer wieder (super ist bei mir selber von einem ADSler) beobachten lassen. Habe da sehr gute Erfahrung damit .

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  • Lustigerweise hatte ich heute morgen in einem Telefonat mit Johannes Drischel ein ähnliches Thema am Wickel: Warum reagieren (ADHS-)Eltern, die ihr Leben relativ gut in der Gesellschaft verankert haben, oft auf eine Art auf die Schul- und Lernprobleme ihrer Kinder, dass diese quasi dazu „gezwungen“ werden, gesellschaftliche Normen und z.B. Schule oder Ausbildung für sich zu abzulehnen?

    Die ADHS-Eltern schalten eben nicht einfach nur auf Durchzug, sondern sie reagieren ihrerseits mit einem Alarm. Ursprünglich wahrscheinlich, weil sie sich enorme Sorgen um ihr Kind machen, teilweise vielleicht auch, weil sie ein festes Bild im Kopf haben, „wie es laufen muss“. Oder auch weil ihre eigenen schlechten Erfahrungen getriggert werden. Und dann kämpfen zwei alarmierte Familienmitglieder darum, dass die Hausaufgaben gemacht werden. Das kann nicht gutgehen.

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    • Dem kann ich nur zustimmen. Mein Vater ist „normaler“ als viele Normale. Und er hat ein ganz klares Bild wie „man“ sein muss. Interessant ist, wie gut er zurechtkommt.

      Allerdings hat er sich ganz gezielt Frauen ausgesucht, die ihm stark helfen/geholfen haben. Wenn Komorbitäten, hat er sie auf seine Frau abgelagert.

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  • Einer meiner ersten Fragen bez. ADS war, ob es eine klare Abgrenzung gäbe. So wie man hat 2 Beine oder nur eins.
    Der Uebergang ist aber fliessend (Gauss’sche Glockenkurve) und je höher der IQ ist und je strukturierter jemand ist desto anders drückt sich ADS oder eine ADS-ähnliche Veranlagung aus.
    Wir haben immer noch das Bild des hyperaktiven Versagers oder des handlungsunfähigen Träumcherchens vor uns.
    Ich denke, besonders im Erwachsenenbereich, müssen wir unseren Horizont öffnen und realisieren, dass auch auf den nicht auffälligen, „problemlosen“, ADS-nahen Menschen ein Druck liegt, der im besten Falle durch eine einfache Kenntnis der ADS-Probleme und Tipps gemindert werden kann – ohne gleich in ADS-Stigma auszuarten.

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    • Ja und Nein. Ich selber bin ein Anhänger von R. Barkley, der von EINEM ADHS spricht. Aber eben als dimensionale Störung, nicht als kategoriale Problematik („schwanger oder nicht-schwanger“). Ehrlich gesagt, habe ich ein eigenes Impulskontrollproblem damit, was nun alles in die Schublade ADHS oder gerade „ADS“ vom unaufmerksamen Subtyp gepackt wird. Wenn ich in den letzten Tagen in den ADHS-Foren surfe, kann ich mich kaum zügeln. Da geht es um die Wirkung von Medikinet adult gegen „Motivationsmangel“ oder „Antriebsschwäche“. Und es wird schlicht unsinnig dosiert (wobei die Ärzte das schlicht nicht kontrollieren oder beurteilen, weil sie sich gar nicht so intensiv mit dem Thema beschäftigen). Aber es wird überhaupt nicht mehr geschaut, WAS denn eigentlich ADHS im Sinne der Exekutivfunktionsstörungen ausmacht. Ich bereite gerade für TOKOL eine Fortbildung zum Thema Medikation vor. Dabei stelle ich mir sehr „einfache“ Fragen, die aber verdammt schwer zu beantworten sind. U.a. : Wie man eigentlich die Wirkung von Medikamenten beurteilen sollte.

      Natürlich ist es so, dass ein hochstrukturiertes und sehr unterstützendes Elternhaus ein Kind mit hohem IQ bzw. Talenten und geringen „Störerqualitäten“ in der Klasse lange Zeit „unentdeckt“ durch die Schule kommen lässt. Solange die Lehrer nicht wechseln und nicht noch zusätzliche Probleme auftauchen. 80 Prozent der ADHSler haben aber mindestens eine Komorbidität, 50 Prozent mehr als 2. Es ist also die Ausnahme, dass nicht noch mehr Probleme bestehen.

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