Mit Medikamenten geht’s halt einfacher
Meine Beitragsserie zum Thema ADHS & Bildschirmmedienkonsum stiess gemäss der Besucherstatistik auf erstaunlich wenig Interesse. Diese Texte bilden beinahe das Schlusslicht der Leserstatistik. Diese Beiträge wurden rund 10x weniger angeklickt als der Beitrag über die Wenn-dann-Pläne oder den sehr oft angeklickten Text von Martin Amphetamine bei ADHS: Neues Medikament mit langer Erfahrung.
Aber wieso nur? Liegt es an meiner “Schreibe”?
Oder sind wir alle medial so vereinnahmt, dass für viele diese Thematik gar nicht evident ist? Wurden TV, Videospiele und Facebook für uns alle zu einer so grossen Selbstverständlichkeit, dass wir darüber gar nicht mehr nachdenken (wollen)? Wundere ich mich quasi, dass mir ein Alkoholiker nicht sonderlich aufmerksam zuhören mag, wenn ich über Alkohol referiere?
Wie in den Beiträgen über die ADHS & Bildschirmmedienkonsum bereits beschrieben, stelle ich auch in meinem Praxisalltag wiederholt fest, wie selten Eltern, die ich bei Bedarf zu dieser Thematik zu sensibilisieren versuche, darauf einsteigen.
Interessant ist dabei, dass es sich nicht nur um eine Frage der sozialen Schicht handelt. In der Praxis habe ich es auch mit sozial gut gestellten Familien aus dem Bildungsbürgertum zu tun. Grosse Unterschiede in der Bereitschaft, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, sehe ich – von erfreulichen Ausnahmen abgesehen – selten.
Mit Medikamenten geht’s halt einfacher …
Es ist möglich :Kinder ohne Medienkonsum! Ich möchte alle Eltern ermutigen, ich kenne beide Seiten. Freizeit ohne Medienkonsum braucht Ausdauer für die Eltern. Die Kinder müssen sich selber viel mehr Gedanken machen, was man spielen kann. Die Eltern müssen die quengeligen Kinder aushalten. Das ist streng! Wir müssen nicht immer unsere Kinder belustigen, sie sollen lernen sich selber beschäftigen. Was dazukommt ist, dass man als altmodisch oder rückständig gilt wenn man diesen Weg geht. Ich bin nicht gegen den Medienkonsum, aber alles zu seiner Zeit. Das Tablet oder den Pc nutzen als Arbeitsgerät, danach zu sagen dass er aus ist, das ist Leistung. Gegenwind ist immer streng.
Ja. Als Eltern (egal ob Kids aus dem ADHS-Spektrum oder nicht) haben wir eine Verantwortung für die Medienkompetenz und müssen selber mit gutem Beispiel voran gehen. Aber so absolute “Alles-oder-Nichts”-Empfehlungen funktionieren in aller Regel nicht. Erziehung ist Arbeit. Klar.
Ich habe die Artikel mit Interesse gelesen. Aber ich denke es ist so: es ist ein heikler Punkt in vielen Familien. Ich kann mich erinnern, dass auch wir jeden Tag Kämpfe hatten, um den Bildschirmmedienkonsum unserer Kinder (vor allem des Sohnes) unter Kontrolle zu halten. Da ich selber immer der Überzeugung war, dass zuviel davon schadet, habe ich versucht, das durchzuziehen – nicht immer ganz konsequent natürlich 😉
Vor allem finde ich es wichtig, die Kinder von nicht altersgerechten Inhalten (brutale Filme) fernzuhalten, diese sind Empathiekiller.
Ab ca. 16 Jahren beginnt aber dann eine Zeit, wo man halt die Eingriffe reduzieren muss, denn alle Kinder wollen in diesem Alter berechtigterweise mehr Selbstbestimmung. Dann kann eine zeitlang eine Art Suchtverhalten entstehen. Klar soll man immer noch Leitplanken haben, aber man muss auch loslassen – ein schwieriges Unterfangen. Wenn der Konsum in den früheren Jahren in vernünftigen Massen stattfand, dann geht die Viel-Konsum-Phase auch wieder vorüber.
Gut finde ich eine Regelung, die in meiner Kindheit galt: Vor der Gutenachtgeschichte gibts kein Fernsehen – aus Prinzip. Ausser vielleicht mal ausnahmsweise an einem verregneten Tag eine Jugendsendung. Das spart enorm viele Diskussionen!
Die Null-Diät finde ich lebensfremd.
Seit der 5. Klasse gibt es jeden Tag Hausaufgaben, für die man das Internet braucht, vereinzelt schon in der Grundschule.
Seit facebook gelingt es meinem Kind, wenigstens abends mit den Klassenkameraden in Kontakt zu kommen ( ohne Mimik und Ton viel einfacher als im Real -Life ). Daran kann am folgetag angeknüpft werden.
Basteln, bauen, Sport , Musik….alles bis zum umfallen gemeinsam gemacht.
Auch müßte ich dann Vorbild sein. Aber ohne meine Kontakte im Netz wäre ich noch isolierter, als ohnehin schon (alleinerziehend mit ADHS-Kind ).
Ich fand den Artikel interessant.
Aber Medienreduzierung ist bei uns Alltag.
Das Thema Bildschirmmedienkonsum ist für mich als Mutter deshalb schwer verdaulich, weil ich meinem Kind, das in der Nachbarschaft (und in gewissem Sinne auch in unserer Familie) sozial nicht besonders gut eingebunden ist, ihm damit quasi das einzige streichen müsste, das ihm an einem langen Nachmittag wirklich Freude macht. Das einzige, über das er schier stundenlang reden könnte. Das einzige Thema, mit dessen “Expertise” er bei anderen Kindern punkten kann.
Das entstehende Loch müssten wir als Eltern füllen, die schlechte Laune ertragen, die Diskussionen ausfechten und jeden (!) Tag ein Alternativprogramm auf Lager haben. Ich gestehe freimütig, offensichtlich als Mutter nicht gut genug zu sein, um eine Bildschirm-Nulldiät auch nur in Betracht zu ziehen.
Muss ich jetzt wegen der Medikation während der Schulvormittag ein schlechtes Gewissen haben, weil ich es mir – getreu der ADHS-Bashing-Artikel der vergangenen Monate – “einfach mache” und mein Kind mit einer “leistungssteigernde Droge” “vollpumpe”?